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Operation Romanow

Operation Romanow

Titel: Operation Romanow
Autoren: Glenn Meade
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Typhus erkrankt und bereits gestorben. Sie wurde in einem Massengrab beerdigt, wo Sie sie zusammen mit anderen Opfern, die ebenfalls umkamen, gefunden haben.«
    Meine Kehle war wie zugeschnürt. »Was geschah mit ihrem Kind?«
    »Ich habe trotz allem überlebt.«
    Jakows Worte überraschten mich so sehr, dass ich ihn mit offenem Mund anstarrte.
    Ihm entging nicht, wie erstaunt ich war. »Ich habe Ihnen gesagt, dass mich persönliche Gründe nach Irland geführt haben, Dr. Pawlow. Mein Überleben war in vielerlei Hinsicht eine Ironie des Schicksals. Jakow zog mich auf – er war ein guter Vater –, so liebevoll, wie einst Juris Vater für ihn gesorgt hatte. So schließt sich der Kreis.«
    »Warum hat Jakow später nicht versucht zu fliehen?«
    »Nach Lydias Tod herrschten die Roten mit eiserner Hand in Russland. Sogar Boyles Agentennetzwerk brach zusammen. Eine Flucht war nicht mehr möglich.«
    Ich dachte einen Augenblick über alles nach. »Wie hat Juri reagiert, als Sie ihm sagten, wer Sie waren?«
    »Meine Enthüllungen schockierten ihn. Natürlich war es eine sehr emotionale Begegnung. Es erfüllte ihn mit großer Freude zu erfahren, dass ich sein Sohn war. Das Wissen, dass seine Liebe zu Lydia nicht ohne Folgen geblieben war und dass die Frucht dieser Liebe trotz Lydias Tod weiterlebte, bedeutete ihm ungeheuer viel, glaube ich.«
    Ich war noch immer wie vor den Kopf geschlagen, als ich das Medaillon aus meiner Tasche zog. »Sagen Sie mir, was auf der Rückseite steht.«
    Jakow nahm das Medaillon entgegen und drehte es in den Händen hin und her. »Mögest du mich bis ans Ende meiner Tage begleiten.« Er hob den Blick. »Das trifft es gut. Manchmal genesen gebrochene Herzen niemals ganz, nicht wahr? Die Wunden, die die Liebe schlägt, schmerzen von Zeit zu Zeit wie Granatsplitter, die im Narbengewebe eingewachsen sind. Ich glaube, so war es auch bei Juri. Er hat sich ehrenhaft verhalten und zu Nina gestanden, aber ich glaube, ein Teil seines Herzens gehörte Lydia.«
    Jakow stand mühsam auf. Er stützte eine Hand aufs Knie und die andere auf den Kaminschirm. »Ich möchte Ihnen etwas zeigen.« Er schlurfte zu einem Regal und nahm eine alte Keksdose aus Metall herunter. Mit seinen knochigen Fingern öffnete er den Deckel, nahm ein altes Foto heraus und gab es mir.
    Ich hielt das Bild so, dass die Sonne, die gerade zwischen den Wolken hervorbrach und durch das Fenster ins Zimmer schien, darauffiel. Auf dem Foto war eine junge Frau abgebildet, die am Heck eines kleinen Bootes saß, das an einem Holzsteg festgemacht war. Im Hintergrund sah ich einen breiten Fluss oder einen See mit einem dichten Wald am jenseitigen Ufer. Offenbar war es ein sonniger Tag, denn die junge Frau schirmte ihre Augen mit einer Hand ab, als sie in die Kamera blickte. Der Kleidung nach musste das Bild in den Zwanzigerjahren entstanden sein.
    Als ich das Foto genauer betrachtete, setzte mein Herzschlag aus. Die junge Frau sah Anna Anderson nicht unähnlich. Sie hatte die gleiche Gesichtsform und ausdrucksstarke Gesichtszüge. Ihre Augen strahlten, doch sie lächelte nicht. Sie schien in sich zu ruhen.
    »Drehen Sie es um«, forderte Jakow mich auf.
    Auf der Rückseite des Fotos stand mit blauer Tinte auf Englisch geschrieben: »In tiefer Dankbarkeit. Für einen Mann mit großem Mut und Mitgefühl. Seien Sie gesegnet.«
    »Gucken Sie sich das Boot noch mal an«, sagte Jakow.
    Als ich das Bild wieder umdrehte, sah ich den Namen des Bootes: Sankt Michael . Das war der Heilige, den Anastasia am liebsten gemocht hatte.
    »Juri gab mir das Bild, kurz bevor er starb. Er sagte, er habe es von Boyle bekommen.«
    Ich konnte den Blick nicht von dem Bild lösen, und tausend Gedanken schossen mir gleichzeitig durch den Kopf. Ich kann auch heute nicht beschreiben, was ich fühlte. Die Frau sah aus wie Anastasia – etwas älter, müder und mit gequältem Blick. Aber natürlich wusste ich, dass nichts jemals das Entsetzen und die Todesangst auslöschen konnte, die sie in jener Nacht gefühlt hatte.
    Ich hob den Kopf. Es schien alles gesagt zu sein.
    Jakow sah mich an. »Jetzt kennen Sie die Wahrheit. Die helle, leuchtende Wahrheit.«
    Als wir zum Friedhof fuhren, ballten sich dunkle Regenwolken am Himmel zusammen.
    »Versprechen Sie mir, dass Lydia eine richtige Beerdigung bekommt, wenn es so weit ist?«, fragte mich Jakow, als wir an dem Grab ankamen.
    »Ich werde mein Möglichstes tun.«
    »Ich weiß, Dr. Pawlow. Dafür werde ich Ihnen ewig dankbar
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