Operation Cyborg
wahr zu sein! Bestimmt ein 'Fake Account'. Aber wer weiß?
Wie Tom sehen konnte war er bei weitem nicht der einzige männliche Besucher auf diesem Profil, was ihn insgeheim ein wenig ärgerte. Aber immerhin hatte sie ihn angeschrieben – nicht er sie – also warum sollte er nicht auch mal Glück haben?
Vielleicht weil er damit nie Glück hatte, schoß es ihm in den Kopf, aber er verdrängte augenblicklich die Selbstzweifel.
Tom war zwar hundemüde, aber er entschloß sich dennoch, sofort zu antworten. Nur der schnelle Vogel fing den Wurm. Er nahm nochmal seine ganze Konzentration zusammen und verfaßte eine einigermaßen intelligente e-Mail an 'Jazz', in der er zwar durchaus Interesse an einer Bekanntschaft bekundete, aber trotzdem nicht allzu sehr die 'Hosen herunterließ' – nur für den Fall es könne sich doch um eine 'Verarsche' handeln. Als er damit endlich fertig war, fuhr er den Rechner herunter und legte sich auf seiner Futonmatratze schlafen.
*
Pedersen investierte seine 30 Euro so sinnvoll er konnte. Für 20 Euro mietete er sich zunächst ein Zimmer für eine Nacht in einem kleinen Hotel in der Nähe des Frankfurter Messegeländes. Er hätte Glück, daß derzeit keine Messe sei und er deshalb das Zimmer für diesen Preis haben könne, hatte der Hotelbesitzer gesagt und ihm dann das wohl mit Abstand schäbigste Zimmer des Hauses gegeben.
Trotzdem hatte sich Pedersen nicht beschwert. Das Zimmer lag im ersten Stock, hatte ein Fenster zur Hofseite und war somit bestens für seine Zwecke geeignet. Kaum hatte Pedersen seine Zimmertür verschlossen, kletterte er aus dem Fenster und schlich aus dem unbeleuchteten Hof, ohne daß ihn in der Dunkelheit jemand hätte bemerken können. An der Straßenecke langte er in ein Gebüsch und fischte die auffällige Jacke heraus, die er dort deponiert hatte. Er zog sie an, und stülpte die Kapuze über den Kopf, dann zog er los. Einige Straßen weiter fand er was er suchte: eine Tankstelle, die noch geöffnet hatte. Es war mittlerweile 1:30 Uhr morgens und der Mann an der Kasse blätterte gelangweilt in einer Zeitschrift. Pedersen betrat den Tankstellenladen, nahm eine Bierflasche aus dem Regal und ging damit zur Kasse. Der Mann hob die müden Augen um zu schauen, was der späte Kunde wollte. Was dann folgte, geschah so schnell, daß der Tankstellenangestellte später Probleme hatte, der Polizei genauere Angaben zu Täter und Tathergang zu machen.
Pedersen schlug die Bierflasche an die Kante des Tresens, so daß der untere Teil absplitterte. Fast gleichzeitig schoß seine linke Hand vor, packte den Tankwart brutal an der Kehle und zog ihn mühelos halb über den Tresen. Völlig überrumpelt und starr vor Schrecken fand sich der Angestellte bäuchlings auf der Auslage wieder. Die noch tropfenden, messerscharfen Zacken der Bierflasche schwebten nur Zentimeter vor seinen Augen.
»Gib mir, was du in der Kasse hast«, sagte Pedersen.
»Okay, Mann, ganz ruhig. Du bekommst alles was du willst«, schrie der Mann und seine Stimme überschlug sich fast. Mit hektischen Bewegungen, die aussahen als würde er schwimmen, griff er nach hinten an seine Kasse. Mit der linken Hand fingerte er hektisch über die Tastatur und schaffte es tatsächlich, in dieser Haltung die Kombination zu finden, die die Kasse öffnete. Pedersen warf die Reste der Bierflasche auf den Boden und langte über den Mann drüber, wobei er sein gesamtes Gewicht auf den Rücken des Mannes preßte, so daß dieser stöhnend ausatmete. Er griff sich alle Scheine und stopfte sie in seine Hosentasche und ließ noch einige Münzen folgen. Dann packte er den Mann am Kragen, wuchtete ihn hoch und schleuderte ihn scheinbar mühelos gegen das Regal hinter dem Tresen. Krachend verschwand der Angestellte unter Zeitschriften und Regalböden. Er benötigte einige Sekunden, ehe er sich berappelt hatte, aber da war er auch schon wieder alleine im Tankstellenladen. Noch einige Minuten verstrichen, ehe sich der junge Mann genug beruhigt hatte. Dann griff er zum Telefonhörer und rief die Polizei an.
Pedersen hingegen war ungerührt weitergezogen. Die auffällige Jacke lag bereits wieder in irgendeinem Gebüsch. Er wollte zum Frankfurter Hauptbahnhof. Ein-oder zweimal mußte er einen der Nachtschwärmer nach dem Weg fragen, dann hatte er das große Gebäude auch schon erreicht. Nicht einmal 15 Minuten waren seit dem Überfall vergangen. Frankfurt ist wirklich die kleinste Metropole der Welt, dachte er sich.
Von hier ging es
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