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Onkel Deprius dunkles Erbe

Onkel Deprius dunkles Erbe

Titel: Onkel Deprius dunkles Erbe
Autoren: Harald Tonollo
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weg und knurrte wie ein Großer. »Wo ist denn eigentlich meine Mutter?«, fragte Polly.
    »Mit Auto und Bruno in Stadt. Einkaufen für dich, kleines Pollyxenia.«
    »Für mich?« Polly stutzte. »Was denn?«
    Karla zuckte mit den Schultern.
    »Und wo sind Pampe und Palme?«, fragte Polly weiter.
    Karla spülte das Mittagsgeschirr. »Ich glaube, unter Erde.«
    »Unter der Erde?«, rief Polly entsetzt.
    »Ja! Wie sagt man? In Keller?«
    »Ach so! Ist denn da was Besonderes zu sehen?«
    »Du liebstes Himmel – aber ja!« Karla musste wieder einmal lachen. »All die Sachen von Geheimrat von alle Zeit, von alle Jahre …«
    »Dinge von früher?«
    »Oh ja, viel früher! Ich sage immer zu Geheimrat: Werfe weg! Werfe weg! Zu viel! Geheimrat sage: Nix da! Bleibe alles da!« Sie ließ die Spülbürste ins Becken fallen und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Viele zu viele!«, rief sie, nahm den Topf mit dem Spinat vom Herd und wollte Polly einen Nachschlag geben.
    »Nein, nein! Bin total satt. Danke.«
    »Was? So dünnes Ding! Muss essen!«
    »Ich … ich schau mir lieber mal den Keller an … Komm, Hannibal!«
    Alte Sachen interessierten Polly eigentlich nicht, aber nach diesem fürchterlichen ersten Schultag war ihr jede Abwechslung recht. Sie freute sich sogar ein bisschen darauf, ihre Brüder zu sehen.
    Die Kellertür stand offen und die Treppe führte steil nach unten ins Dunkel. Polly suchte nach dem Lichtschalter, stöhnte kurz auf, als sie keinen fand, und lief auf ihr Zimmer,um den Kerzenleuchter und Streichhölzer zu holen. Hannibal tapste folgsam hinter ihr her, als sie schließlich die Treppe in den kühlen Keller hinabstieg. Die Kerzen spendeten nur ein schummeriges Licht.
    »Pampe? Palme? Seid ihr hier unten? Und jetzt bitte keine dämlichen Späße mit Erschrecken und so, okay?«
    »Nein, nein«, hörte sie Palme aus dem hinteren Teil des Kellers rufen. »Das würden wir nie tun.«
    »Haha, sehr witzig«, sagte Polly, ging auf eine offen stehende Tür zu und betrat einen muffig riechenden Raum. Hannibal lief schnüffelnd vor ihr her.
    »Schau dir das an!«, sagte Pampe zu seiner Schwester.
    Viel konnte Polly nicht sehen. Das schmale, völlig verdreckte Fenster hielt mehr Tageslicht ab, als es hereinließ. Und die vier Kerzen machten es auch nicht besser. Schemenhaft erkannte sie eine antike Truhe. »Alles Flohmarktkram«, meinte sie abfällig.
    »Spinnst du!«, rief Palme.
    Polly trat hinter ihre Brüder, die vor einem alten Buch knieten. Auf dem lederbezogenen nachtblauen Einband war ein Wort eingestanzt: »Magia«
    »Was sagst du jetzt, Schwesterlein? Das ist Latein und bedeutet …« Palme wollte eine gewichtige Pause machen, doch Pampe beendete den Satz für ihn. »Zaubern!«
    »Na und?« Polly verdrehte die Augen. »Ihr glaubt doch wohl nicht an so einen Quatsch?«
    »Sollen wir’s ausprobieren?«, fragte Palme und öffnete das Buch.
    »Hat euch unsere Mutter denn schon so viel Latein beigebracht?«
    »Unnötig«, erwiderte Pampe.
    »Ist alles in unserer Sprache – oder zumindest in so was Ähnlichem.«
    »Lies vor!«, forderte Polly ihn auf.



»Und wenn dann was passiert?«, fragte Pampe.
    »Ihr glaubt ja wohl nicht echt, dass man damit zaubern kann!«
    Die beiden Brüder sahen sich an.
    Dann schaute Palme auf die aufgeschlagene Seite.
    »Wie wär’s damit?«, fragte er. »Zauber zum Hören der Stimmen Verstorbener.«
    »Super!«, rief Polly spöttisch. »Da kann wenigstens nicht viel passieren. Und vielleicht hat Onkel Deprius uns ja noch was Wichtiges mitzuteilen!«
    »Sag so was nicht!«, flüsterte Pampe ängstlich.
    »Jetzt?«, fragte Palme.
    »Jetzt!«, befahl Pampe.
    Palme räusperte sich, bevor er langsam mit tiefer, würdevoller Stimme sagte:
»Totenreich, oh Totenreich,
wie bist du bleich,
lass Stimmen ertönen,
von deinen Söhnen,
und das Gelächter,
all deiner Töchter,
Totenreich, oh Totenreich,
wie bist du bleich.«
    Eine beklemmende Stille breitete sich aus. Den dreien wurde es so unheimlich zumute, dass sie sich kaum trauten zu atmen. Nicht einmal Hannibals Schnüffeln war zu hören. Polly spürte, wie sich über ihren gesamten Körper langsam eine Gänsehaut ausbreitete.
    »War da was?«, brach Palme mit klappernden Zähnen das Schweigen.
    »Es klang wie … eine Art Knistern … oder Schritte …« Pampe begann vor Angst zu zittern.
    Und dann ließ sie mit einem Mal ein greller Schrei zusammenfahren.
    »Kinder! Seid ihr im Keller?«
    Pampe, Palme und Polly atmeten
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