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Onkel Deprius dunkles Erbe

Onkel Deprius dunkles Erbe

Titel: Onkel Deprius dunkles Erbe
Autoren: Harald Tonollo
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Er hielt mitten in der Bewegung inne, öffneteungläubig seinen Mund und verzog schließlich angeekelt das Gesicht.
    »Schmeißfliegensalat«, flötete Polly. »Darf ich Ihnen einen Teller anbieten? Reich an Vitaminen QQ2 und Y7.«
    Der Briefträger erstarrte. Und noch bevor Frau Rottentodd ihren Namen an die richtige Stelle setzen konnte, entriss er ihr Stift und Formular. Dann nestelte er nervös den Brief aus seiner Umhängetasche, ließ ihn auf den Tisch fallen und eilte grußlos durch die offene Wohnungstür davon.
    »Hat auch einen hohen Gehalt an pechschwarzem Eiweiß!«, rief Polly ihm hinterher und schob sich die Spaghetti in den Mund, während Frau Rottentodd auf den Absender schaute.
    K. A. Zwickenkopp
    Notar
    Sie pickte mit der Gabel eine weitere leblose, blau schimmernde Fliege auf.
    »Willst du ihn denn nicht öffnen?«, fragte Polly.
    »Ach, er ist von irgendeinem Notar. Sicher was Amtliches für das Bestattungsinstitut eures Vaters.«
    »Aber dann wäre der Brief doch
dorthin
geschickt worden«, widersprach Polly. »Und außerdem steht auch
dein
Name drauf.«
    Frau Rottentodd überlegte kurz, bevor sie die Gabel mit der aufgespießten Fliege auf dem Teller ablegte und den Umschlag öffnete. Sie faltete das Schreiben bedächtig auseinander und las. Zunächst bildeten sich tiefe Falten auf ihrer hohen Stirn. Dann schnellten die zu perfekten kleinen Bögen gezupften Augenbrauen in die Höhe und die schmalen Lippen formten sich zu einem lautlosen »Oh«.
    »Jetzt sag schon!«, drängte Polly neugierig.
    Palme hatte aufgehört zu essen, Pampe hatte noch gar nicht damit angefangen.
    Ihre Mutter hob langsam den Kopf, sah alle drei der Reihe nach an und verkündete schließlich ernst und feierlich: »Onkel Deprius ist gestorben. Er hat uns als Erben benannt. Die Testamentseröffnung ist übermorgen bei Notar Zwickenkopp.«

Die Erbschaft
     
    Patrizius Rottentodd hatte seinen traurigsten schwarzen Bestattungsanzug an, in dessen oberstem linkem Knopfloch wie immer eine künstliche weiße Nelke steckte. Sein tiefschwarzes öliges Haar war akkurat gescheitelt und der kleine Spitzbart ordentlich gekämmt.
    Bei seinen Söhnen Pamphilius und Palmatius war der Versuch, das krause, ebenfalls schwarze Haar ordentlich zu scheiteln, kläglich gescheitert. Ganz im Gegensatz zu ihren Elternsahen sie etwas ungepflegt aus, woran auch die dunklen Anzüge, in denen sie steckten, nichts ändern konnten – zumal die Hosenbeine bereits über ihren Knöcheln endeten und die alten Turnschuhe mehr als unpassend waren.

    Und da auch Frau Rottentodd nicht nur tiefschwarzes Haar hatte, sondern auch einen dem Anlass angemessenen schwarzen Hosenanzug trug, war Pollyxenia, also Polly, mit ihren blonden schulterlangen Haaren, ihrer Jeans und dem knallroten T-Shirt wie immer der Farbklecks der Familie.
    Herr Rottentodd drückte feierlich die Klingel über dem goldfarbenen Schild mit der Aufschrift »Kanzlei K. A. Zwickenkopp« und straffte die Schultern. Herr Zwickenkopp saß viel beschäftigt hinter seinem altersschwachen Schreibtisch, auf dem sich ein großer Berg verstaubter Akten stapelte. Hinterihm hing ein riesiges Gemälde mit dickem Goldrahmen, das einen ernst dreinschauenden älteren Herrn mit Monokel zeigte, der ihm auffallend ähnlich sah.
    Als Familie Rottentodd eintrat, blickte der Notar verstört über die randlose Lesebrille auf seiner Nasenspitze und gab ein leises Hüsteln von sich.
    »Haben die Herrschaften einen Termin?«, fragte er seine Sekretärin, die im Türrahmen stehen geblieben war.
    »16 Uhr, Familie Rottentodd«, antwortete Herr Rottentodd an ihrer Stelle und trat einen Schritt vor.
    »Oh! Aha!« Zwickenkopp erhob sich, kam um seinen Schreibtisch herum und reichte jedem umständlich die Hand. »Familie Toddenrott, nehmen Sie doch Platz!«

    »Rottentodd«, verbesserte Herr Rottentodd den Notar und setzte sich als Erster auf einen der unbequem harten Holzstühle, die um einen kleinen Tisch gruppiert waren.
    »Selbstverständlich«, murmelte der Notar und wartete höflich, bis alle saßen. Dann durchsuchte er aufgeregt seinen Aktenstapel, wobei ein heilloses Durcheinander von einzeln umherflatternden Papieren entstand, die er eilig wieder zu einem neuen Stapel aufschichtete. Schließlich zog er eine der untersten Akten heraus, setzte sich ebenfalls und betrachtetedie Papiere. »Tja!«, sagte er schließlich mit betrübter Miene, öffnete die Akte und überflog schnell den Inhalt. »Verehrte Familie Toddenrott
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