Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an
Autoren: Anne Telscombe
Vom Netzwerk:
abzulenken.»
    Jackie hatte in ihrer Handtasche nach den Schlüsseln gekramt, während sie sprach, und schloß die Wohnungstür auf, als Humphrey sagte:
    «Mit all den Journalisten im Schlepptau würde sie mit dem Untertauchen nicht weit kommen. Ich habe noch nie so hartnäckige Leute gesehen. Die würden’s fertigbringen und jemand bis Sibirien verfolgen, bloß um eine Story nicht zu verlieren. Mich wundert nur, daß die Sowjetregierung sie nicht längst rausgeschmissen hat. Die würden doch Lenin noch in seinem Grab dazu bringen, ihnen ein Interview zu geben.»
    «Miss Baker bringen sie nicht dazu», sagte Jackie mit Überzeugung.
    Sie schaltete die Dielenlampe ein und wollte gerade auf Zehenspitzen zur Schlafzimmertür gehen, als ihr Blick auf einen säuberlich gefalteten Zettel neben dem Telefon fiel. Sie stürzte sich darauf, las ihn und gab ihn Humphrey. Es war eine kurze und direkte Mitteilung.
    «Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß es im Hotel bequemer für mich ist. Diese Reporter klingeln ununterbrochen an der Tür, und Hotelzimmer haben wenigstens keine Klingeln. Außerdem ist es für Sie und Ihre Nachbarn ruhiger, wenn ich alle mit mir ins Hotel nehme, und deshalb werde ich Humphreys Zimmer im Metropol für diese Nacht benutzen und vor der Reise noch einmal gut schlafen.
    - Sagen Sie Humphrey, er soll mich morgen früh zeitig abholen. Herzlichen Dank für Ihre Gastfreundschaft, mein Kind. Lavinia Baker.»
    «Aber sie kann doch nicht einfach mein Zimmer nehmen», protestierte Humphrey. «So etwas Idiotisches habe ich noch nie gehört. Kein Hotel läßt jemand in ein Zimmer, das schon von jemand anders bestellt oder benutzt ist. Wie wollen sie wissen, daß ich nicht heute abend komme und das Zimmer haben will? Am liebsten würde ich das auch tun.»
    «Ich weiß nicht, was andere Hotels tun, aber ich weiß genau, daß Miss Baker sich was ausdenken wird, womit sie die Leute im Metropol überredet», sagte Jackie. «Sie hat recht, die Journalisten stören hier mehr als im Hotel. Schließlich ist das hier ein Diplomatenhaus, und die sowjetischen Behörden können kaum einschreiten. Aber im Hotel können sie das. Die Journalisten werden wohl oder übel in der Halle warten müssen, und das ist natürlich viel angenehmer für Ihre Tante.»
    «Angenehmer für sie», wetterte Humphrey. «Das ist mal wieder typisch für Tante Lavinia. Sie denkt nur daran, was angenehmer für sie sein kann. Ich habe noch nie jemand gesehen, der so wenig an andere denkt. Und wo, glaubt sie, soll ich die Nacht über bleiben? Jetzt um diese Zeit ein anderes Hotelzimmer zu bekommen, ist ja auch einfach, was? Wahrscheinlich denkt sie, ich soll mich zu den Journalisten in die Halle setzen.»
    «Nun, wahrscheinlich denkt sie, Sie können hier übernachten», sagte Jackie ruhig.
    «Wenn sie sich überhaupt darüber Gedanken gemacht hat, dann muß sie doch wissen, daß das nicht geht.»
    «Oh, ich weiß nicht. Die Couch im Wohnzimmer ist so unbequem nicht. » Sie ging ins Zimmer und schaltete das Licht ein, damit Humphrey die Couch begutachten konnte. Immer noch widersprechend, folgte er ihr.
    «Sie wissen ganz genau, was ich meine, Jackie, und ich kann unmöglich bleiben. Was würden Ihre Nachbarn denken?»
    «Sie würden es wahrscheinlich gar nicht merken. Außerdem würden sie nach dem, was sich hier in den letzten Tagen abgespielt hat, wohl kaum mehr etwas merkwürdig finden.»
    «Aber das war auf sehr andere Art merkwürdig.» Humphrey blickte Jackie tadelnd an. Wenn er die Stirn runzelte, wirkte sein ganzes Gesicht streng und unbeweglich, und Jackie verspürte den unwiderstehlichen Wunsch, ihn gegen seinen Willen zum Lachen zu bringen.
    Sie ließ sich in übertrieben verführerischer Pose auf die Couch sinken und sagte mit verderbt verhangener Stimme:
    «Sie meinen, weil Sie ein Mann sind und ich eine Frau bin und wir von unsern Trieben übermannt werden könnten?»
    Sie ließ ihre Wimpern auf und nieder flattern und beobachtete Humphreys Reaktion. Er brach nicht in schallendes Gelächter aus, wie sie erwartet hatte, aber seine Mundwinkel zuckten immerhin.
    «Sie sind unverbesserlich, Jackie», sagte er bekümmert. «Nehmen Sie denn nichts ernst?»
    «Das nehme ich sehr ernst», sagte Jackie und setzte sich sittsam auf. «Ich bin nicht auf Affären aus, und deshalb ist mein Angebot, daß Sie auf der Couch schlafen sollen, nichts als - eben ein Angebot, daß Sie auf der Couch schlafen sollen.»
    «Das mag es für Sie sein», sagte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher