Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an
Autoren: Anne Telscombe
Vom Netzwerk:
sprechen, und der Hof hier ist auch nicht gerade der geeignete Ort.»
    Stewart wandte sich noch einmal an Humphrey.
    «Gehen Sie doch wenigstens schon auf die Straße, seien Sie so nett. Jackie kommt in fünf Minuten. Es hat nichts mit Miss Baker zu tun, das schwöre ich Ihnen.»
    Humphrey schüttelte den Kopf. Er ging ein paar Schritte zur Seite, blieb aber immer noch in Hörweite.
    «Na schön, wie Sie wollen. Aber Jackie, so habe ich mir’s eigentlich nicht vorgestellt. Wenn ich vorher nie was gesagt habe, dann nur, weil ich dachte, ich hätte viel Zeit. Viel Zeit und keine Konkurrenz.»
    Stewart lächelte trocken.
    «Im letzten Jahr hatte ich Glück, daß ich das Revier ganz für mich allein hatte. Normalerweise kann ich kaum erwarten, daß ein Mädchen wie du sich nach mir umsieht. Aber in Moskau sind die Junggesellen knapp, und das ist ja wohl der einzige Grund, warum ich dich so gut kennengelernt habe. Ach, ist ja auch egal, ich weiß ja, was du mir antwortest, aber fragen wollte ich trotzdem.»
    «Stew, lieber Stew, was willst du denn damit sagen? Das ist doch kein - du kannst doch nicht - o Stewart, war das ein Heiratsantrag?» sagte Jackie mit unsicherer Stimme.
    «Na, mach schon, lach dich tot. Wir haben doch schon über so vieles gelacht. Ich seh ja ein, daß es komisch ist, wie wir hier stehen und halb Moskau uns zuhört -» Humphrey war, als ihm die sehr persönliche Note dieser Unterhaltung klar wurde, sofort weitergegangen. «Wahrscheinlich hätte ich es ein bißchen romantischer machen können, wenn ich Zeit gehabt hätte -»
    «Ich lache ja gar nicht.» Jackie schwebte vielmehr leicht hysterisch zwischen Lachen und Weinen. «Stew, ich bin ganz gerührt. Du weißt, daß ich dich sehr gern habe - und all das Nette, was wir zusammen erlebt haben - und -»
    «Okay», unterbrach Stewart sie. «Okay. Jetzt spiel nicht die Taktvolle, du brauchst nicht alles aufzuzählen. Ich wollte es dir nur sagen, bevor du weggehst, das ist alles. Ich bin dir nicht böse. So, und jetzt werde ich mal wieder meinen Posten beziehen. Ich besuche dich, wenn ich auf Urlaub nach London komme - wenn du dann noch da bist.»
    «Ja, bitte», sagte Jackie. «Und trotzdem vielen Dank, lieber Stew.»
    «Trotzdem vielen Dank. Das ist etwa das, was ich erwartet habe.»
    Stewart grinste sie freundlich an und wollte wieder ins Haus zurückgehen, aber Jackie stieß einen leisen Schrei aus, warf sich impulsiv in seine Arme und brach in Tränen aus.
    Stewart streichelte sie behutsam und küßte vorsichtig ihr Haar.
    «Komm, Jackie, laß alles, raus. Es wird alles viel zu kompliziert, wenn man’s zu lange runterschluckt.»
    Jackie ließ ihren Tränen freien Lauf. Dann schob sie Stewarts Arm fort und begann, in ihren Taschen nach einem Taschentuch zu suchen.
    «Hier, nimm meins. Putz dir tüchtig die Nase. Besser?»
    «Mmmmm.»
    «So ist’s gut. Ich würde viel lieber mit dir Spazierengehen, anstatt hier auf der Treppe zu sitzen.»
    Humphrey hatte während dieser gefühlvollen Szene verlegen herumgestanden in der Hoffnung, daß beide ihn vergessen hatten.
    «Gehen Sie los mit ihr, Napier», sagte Stewart zu ihm. «Und kümmern Sie sich um sie. Wiedersehn, Jackie.»
    Er wandte sich abrupt ab, wurde einen Augenblick im grellen Licht der Eingangstür sichtbar und verschwand hinter der Haustür.
    «Gehen wir», sagte Jackie. Und es klang ganz verloren. Sie putzte sich noch einmal mit Stewarts Taschentuch die Nase und ging los, ohne sich darum zu kümmern, ob Humphrey ihr folgte.
    Sie gingen durch die Toreinfahrt, an dem Milizsoldaten vorbei, bogen in die Hauptstraße ein und liefen schweigend und mit schnellen Schritten durch mehrere hell erleuchtete Straßen. Jackie schien nicht sprechen zu wollen, und Humphrey wußte nicht recht, wie er anfangen sollte. In einer halben Stunde hatten sie die Innenstadt durchquert und waren am Fluß angelangt. Hier brannten die Laternen trüber, und sie gingen über die Straße am Ufer. Jackie verlangsamte ihre Schritte.
    «Ich hatte keine Ahnung von Ihrer Entlassung. Ich bin gar nicht auf den Gedanken gekommen... Es tut mir wahnsinnig leid», sagte Humphrey und hatte das Gefühl, daß er nach Stewart etwas lahm klang.
    «Sagen Sie’s nur nicht Miss Baker», antwortete Jackie. Sie war wieder sie selbst. Energisch, nicht auf fremde Hilfe angewiesen.
    Für Humphrey war es schwer zu glauben, daß er sie vor kaum einer Stunde in Tränen gesehen hatte.
    «Ich bin selbst schuld. Das weiß ich. Aber Miss Baker
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher