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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an
Autoren: Anne Telscombe
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Genossenschaftlichen Frauenbewegung, hielt es für passend, daß die beiden einzigen Damen der Delegation stets zusammensteckten. Außerdem fühlte sie sich geschmeichelt, mit dem Parlamentsmitglied Patricia Cartwright zusammen zu sein, deren Gesicht ihr von einem beliebten (wenn auch sehr intellektuellen) Fernsehquiz so vertraut war. Neben dieser prominenten Persönlichkeit in einem Flugzeug auf der Reise nach Moskau zu sitzen, erregte sie so, daß sie ziellos vor sich hinplapperte.
    «Ich glaube nicht, daß sie heute früh überhaupt in unserm Bus mitfahren durfte», murmelte sie erbarmungslos. «Er war nur für unsere Delegation reserviert. Ich hörte gerade noch, wie sie mit einem Taxichauffeur über Pässe und Ost-Mark sprach, und als ich das nächstemal hinsah, stieg sie schon in unsern Bus und sah dabei so selbstverständlich aus, daß niemand sie aufforderte, wieder auszusteigen.»
    «Es wird sicher gar nichts Mysteriöses daran sein, daß sie nach Moskau fliegt», gähnte Mrs. Cartwright und schlug ostentativ ihr Buch auf, um die Unterhaltung zu beenden. «Wahrscheinlich ist sie die Mutter des Pfarrers an der Britischen Botschaft. Warum fragen Sie sie nicht einfach, wenn Sie’s so gern wissen wollen?»
    «Das werde ich auch tun», sagte Mrs. Hoskins. Mrs. Cartwright schien entschlossen, sich hinter ihrem Buch zu verschanzen, während die unbekannte Engländerin lediglich durch ein paar Zeitungsseiten vor Mrs. Hoskins’ freundlicher Neugier geschützt war.
    Also erhob sich Mrs. Hoskins und steuerte den Mittelgang entlang auf den leeren Sitz neben Miss Baker zu.
    «Recht bequem, diese russischen Flugzeuge», begann sie ungezwungen und plumpste, sich krampfhaft an den Seitenlehnen festhaltend, rückwärts in den Sitz. Das Flugzeug hatte sich ohne jede Vorwarnung in Bewegung gesetzt.
    «Wahrscheinlich», sagte Miss Baker. Sie faltete die Zeitung zusammen und nahm ihre Brille ab. «Ich kenne mich bei Flugzeugen nicht gut aus, das heißt, ich fliege zum erstenmal, und wahrscheinlich sind die Sicherheitsgurte, die wir gestern in dem englischen Flugzeug anschnallen mußten, gar nicht nötig.»
    Mrs. Hoskins, die ebenfalls zum erstenmal flog, hielt sich an den Armlehnen fest und wartete, bis sich das Flugzeug von der Piste abhob und gut zweihundert Meter hoch war, ehe sie die Unterhaltung wieder aufnahm.
    Inzwischen hatte Miss Baker eine undefinierbar aussehende Strickerei aus ihrer riesigen Handtasche gezogen und war damit beschäftigt, ein paar heruntergefallene Maschen aufzunehmen.
    «Ah, ein Schal für eines Ihrer Enkelkinder?» fragte Mrs. Hoskins, wild entschlossen, die Unterhaltung von Anfang an so persönlich wie möglich zu gestalten.
    «Um Gottes willen, nein. Auf Reisen stricke ich immer für Waisenhäuser.»
    Während Miss Bakers Stricknadeln in Aktion traten, entstand eine kleine Pause, und Mrs. Hoskins rutschte in ihrem Sitz hin und her. Miss Baker wußte, daß Mrs. Hoskins Redefluß nicht so schnell einzudämmen war. Also entschloß sie sich, das Thema dafür selbst zu wählen. Sie seufzte und begann unverfänglich:
    «Sie stricken sicher viel für Ihre Familie?»
    «Das habe ich mal getan. Ich habe nämlich drei Töchter», sagte Mrs. Hoskins vertraulich. «Sie sind natürlich jetzt alle erwachsen und verheiratet. Gladys, die älteste, strickt viel besser als ich. Sie macht die kompliziertesten Sachen und hat sich kürzlich eine Strickmaschine gekauft.»
    Mrs. Hoskins erging sich noch eine ganze Weile über Gladys und Pegga und Cecily, ehe ihr plötzlich wieder einfiel, daß sie ja ursprünglich etwas über Miss Baker in Erfahrung bringen wollte.
    «Sie fliegen nach Moskau?» fragte sie, wieder zum Angriff übergehend.
    «Ja. Ich bin schon sehr gespannt. Ihre Reisegesellschaft fliegt auch dorthin?»
    «Wir sind eine Delegation», brüstete sich Mrs. Hoskins. «Wir bleiben zwei Wochen in Moskau und fahren von dort in alle andern Länder hinter dem Eisernen Vorhang. Mrs. Cartwright, die Freundin, mit der ich zusammen bin, ist eine Abgeordnete der Labour-Partei. Ich selbst repräsentiere die Genossenschaftliche Frauenbewegung. Wissen Sie, seit die Kinder erwachsen sind, mußte ich mir etwas suchen, um meine Zeit auszufüllen, und ich finde, wenn man für andere Gutes tut und sich mit sozialen Problemen beschäftigt, trägt das nicht nur zur Erweiterung des eigenen Horizonts bei, sondern stellt in dieser traurigen Welt eine wirkliche Hilfe dar.»
    «Gewiß», sagte Miss Baker höflich. Obgleich sie
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