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Olfie Obermayer und der Ödipus

Olfie Obermayer und der Ödipus

Titel: Olfie Obermayer und der Ödipus
Autoren: Christine Nöstlinger
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einfach hier vergessen würde. Wunderschön stellte ich mir das vor. Baby-Philemon und Baby-Baucis im Waldviertel; mehr wollte ich nicht.
    Weil die Joschi unbedingt etwas für den Johannes tun wollte, brachte sie die Stube in tadellose Ordnung. Dabei stellten wir fest, daß die Dame, die beim Johannes gewohnt hatte, eine ausgesprochene Strickneurotikerin sein mußte.
    Elf verschiedene angefangene Strickereien sammelte die Joschi ein. Die tat sie samt unzähliger Wollsträhnen und Knäuel in einen großen Karton und schob ihn unter das Bett vom Johannes. Beim Aufräumen fand die Joschi auch Fotos von einer jungen Frau. Ganze Stöße von Fotos. Und immer hatte die Frau andere Kleider an und stand blöd in der Gegend herum. Wir beschlossen, daß die zerbrochene Liebesbeziehung vom Johannes ein Fotomodell mit Stricktick gewesen war. Ob es auch dieses Modell war, das mich dauernd am Telefon nervte, weiß ich nicht. Jedenfalls rief gut fünfmal pro Tag eine weibliche Person an und wollte den Johannes sprechen und glaubte mir nicht, daß der nicht da war, und keifte, sie durchschaue das, »der Schuft« solle sich nicht verleugnen lassen.
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    Am Nachmittag des dritten Tages unseres Kleinhäuslerle-bens kamen die Mama, der Johannes und der Nowak zu-rück. Daß die Mama Erfolg auf allen Linien gehabt hatte, merkte ich sofort an ihrem Gang. Wenn sie mit sich zufrieden ist, hat sie etwas sehr Hüpfendes, Hopsendes im Schritt. Der Johannes allerdings schien leicht erschöpft.
    Und das erste, was er tat, war, daß er aus dem grauen Anzug wieder in die Jeans umstieg. Ganz nebenbei bemerkt, diesmal blickte die Mama nicht diskret zur Seite.
    Die Joschi, ganz auf Hausfrau, machte Kaffee und deckte in der Küche eine richtige Kaffeetafel. Beim Kaffeetrinken erklärte die Mama, daß sie Joschis Vater »zur Einsicht ge-zwungen habe«, daß es gar keiner offiziellen Einmischung von amtlicher Seite bedurft habe, er habe sich freiwillig bereit erklärt, die Joschi in ein Heim zu geben. Und den Heimplatz hatte die Mama auch schon! Die Mama hatte den Vater richtiggehend erpreßt, indem sie ihn dort packte, wo er am empfindlichsten ist. Sie hat ihm gedroht, falls er die Joschi nicht in ein Heim gibt, wird sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen! Anzeigen wird sie ihn, alle Nachbarn wird sie als Zeugen vorladen lassen, an alle Zeitungen wird sie die Sache weiterleiten, nur noch mit Klebebart und schwarzer Brille wird sich der Vater vor das Haus wagen, weil die Leute vor ihm ausspucken werden! Auf allen Linien, hat ihm die Mama gedroht, wird sie ihn unmöglich machen! Nicht einmal in seinem Büro, wo er Abteilungsleiter ist, wird einer mit ihm reden wollen. Sie hat schon Mittel und Wege, hat sie ihm erklärt, das alles zu machen.
    Da hat der Mensch klein beigegeben, weil er zu der Sorte Leute gehört, denen sehr viel an der Meinung der Umwelt liegt. Er hat erklärt, die Joschi sei ein Ausbund an Bösartig-
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    keit, und die Schulterverletzung habe sie sich selbst beige-bracht, um ihn als Unmenschen zu denunzieren. Absichtlich habe sie sich in die Glasscheibe fallenlassen. Und sonst sei nie etwas vorgefallen, wofür er sich Vorwürfe zu machen brauche. Aber wenn seine Tochter derart infame Lügen über ihn verbreite, dann sei sie nicht mehr seine Tochter und er sei mit einem Heim als Wohnort für diesen Ab-schaum von Mädchen einverstanden. Allerdings müsse es ein billiges Heim sein! Joschis Mutter sagte auch, das sei die beste Lösung, um endlich zu häuslichem Frieden zu kommen.
    Dann erzählte uns die Mama noch, daß sie mit dem Johannes in der Schule von der Joschi, beim Klassenvorstand, gewesen war. Und bei der Direktorin auch. Und daß der Joschi das Schulschwänzen vergeben sei. Der Johannes benickte diese Schilderung.
    »Ja, ja«, sagte er. »Das waren zwei durchaus einsichtige Schrägschrauben! Von denen hast du nichts mehr zu be-fürchten, Kummerkind!« Und das Heim, in das die Joschi kommen werde, sagte er, erscheine ihm auch durchaus passabel. Und an den Feiertagen oder in den Ferien könne die Joschi sicher zu ihm kommen. Beredet habe er das zwar noch nicht mit der Heimleitung, aber da lasse sich sicher etwas machen.
    Am frühen Abend fuhren wir ab. Der Johannes winkte, der Nowak bellte hinter uns her. Der Johannes hatte mir beim Abschied versichert, daß mir jederzeit sein Haus und sein Herz offenstehen.
    Im Kofferraum vom R 5 hatte die Mama bereits zwei große Koffer mit Joschis Habseligkeiten. »Die Koffer will
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