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Olafur Davidsson 02 - Herbstwald

Olafur Davidsson 02 - Herbstwald

Titel: Olafur Davidsson 02 - Herbstwald
Autoren: Alexander Guzewicz
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der Fuggerei?«, fragte sie, als sei nichts gewesen.
    Hofbauer hatte sich schnell wieder unter Kontrolle. »Nein. Das macht jemand anderes. Die Dame ist aber erst heute Nachmittag da. Sie musste heute Morgen zum Arzt. Irgendetwas mit den Zähnen.«
    »Was ist mit Angehörigen?«, fragte Davídsson nach einer Weile. Sie waren wieder in den kleinen Vorgarten hinausgegangen. Es regnete nicht mehr, aber der Himmel war grau geblieben.
    Hofbauer sah ihn fragend an.
    »Gibt es welche? Wenn ja, haben Sie sie bereits verständigt oder sollen wir das erledigen?« Davídssons Stimme wurde schärfer. Er war diese Begriffsstutzigkeit nicht gewohnt.
    »Es gibt keine. Besser gesagt: Wir haben keine gefunden.«
    Der Vorgarten sah gepflegt aus. Ólafur Davídsson kannte sich mit Pflanzen zu wenig aus, aber er erkannte, dass es kein Unkraut gab. Alle Büsche waren beschnitten und die Blumenblüten waren nach Farben sortiert. In der Mitte stand eine Weide mit weißen, beinahe elliptischen Blättern.
    »Das ist eine Salix integra Hakuro Nishiki, eine japanische Weide«, sagte Lilian Landhäuser. »Meine Eltern haben so eine im Garten. Der Austrieb ist zart flamingorosa, dann wird das Laub rosa-weißlich gepunktet und zum Schluss sind die Blätter grün-weiß marmoriert.«
    »Toll«, sagte Davídsson und sah, wie sie versuchte, seinen Kommentar einzuordnen.
    Er meinte es durchaus nicht zynisch.
    Vielleicht kaufe ich mir so eine japanische Weide für den Balkon, überlegte er.
    »Wann kommt der vorläufige Obduktionsbericht?«, fragte er zu Hofbauer gewandt.
    »Eigentlich sollte der Pathologe hierherkommen.« Der Kriminalhauptkommissar zog ein Handy aus der Tasche, wählte eine Nummer und führte daraufhin ein kurzes Telefongespräch.
    »Er hat die Ergebnisse der Toxikologie noch nicht vorliegen.«
    »Dann würde ich mich gerne noch ein bisschen alleine hier umsehen und schlage deshalb vor, dass wir uns heute Nachmittag wieder treffen. Am besten wieder an der Kasse.«

3
    D avídsson hatte sich nicht in der Fuggerei umgesehen. Er hatte Ruhe gebraucht. Bisher hatte er noch kein klares Bild vor Augen. Es war noch diffus, ohne Leiche, auf deren Augen man Zehn-Krónur-Münzen legen konnte.
    Vielleicht brauchte er das, um richtig in Gang zu kommen.
    Er war zum Hotel gefahren. Von Weitem sah der Turm wie ein überdimensionaler Maiskolben aus, der in den Himmel ragte, als warte er darauf, von einem Riesen abgeerntet zu werden.
    Einem Augsburger Riesen, hatte er gedacht, als er das Hotel in der Nacht leicht hatte finden können. Es war immerhin das höchste Bauwerk in der ganzen Umgebung und gehörte zu den zehn höchsten Gebäuden in ganz Bayern, wie ein Schild im Aufzug stumm verkündete.
    Jetzt konnte er aus seinem Zimmer im 11. Stock auf die Stadt sehen und gleichzeitig die Gedanken in die Ferne schweifen lassen.
    Eigentlich war er hergekommen, um zu schlafen, aber das Kopfzerbrechen hatte bereits begonnen und ließ sich nicht mehr abschalten.
    Er wusste noch zu wenig, um schon eine Idee zu haben, aber trotzdem spürte er, dass es nicht einfach werden würde. Vielleicht lag es an dieser eigenen Welt, die wie ein Fremdkörper in der heutigen Gesellschaft zu sein schien.
    Wer betete heute noch dreimal am Tag? Oder taten das die Bewohner der Fuggerei überhaupt noch? Wurde das tatsächlich noch von ihnen verlangt?
    Er wusste, dass es in Bayern noch viele gläubige Katholiken gab, die ihre Traditionen und ihre Religion ernst nahmen.
    So etwas war ihm von Island fremd.
    Natürlich gab es auch da noch genügend Menschen, die zu den Gottesdiensten in die Hallgrímskirkja strömten. Aber die Protestanten in Reykjavík waren längst nicht so gläubig wie die Menschen in Bayern. Davon war er überzeugt. Obwohl formal noch rund 79 Prozent aller Einwohner der Isländischen Staatskirche angehörten.
    Ólafur Davídsson erinnerte sich an seinen letzten Besuch in der Hallgrímskirkja. Er war dort mit seinem jüngeren Bruder zu einem Konzert gewesen. Óðinn faszinierten damals die Dimensionen der Orgel, die ihresgleichen in Island suchte. Sie hatten sich den mechanischen Spieltisch mit den vier Manualen angesehen und Óðinn hatte ihm erzählt, dass der Orgelbauer aus Deutschland stammte. Später, als er dann selbst in Deutschland lebte, hatte er irgendwo gelesen, dass die Firma Johannes Klais Orgelbau einen internationalen Ruf hatte und ihre Orgeln auf der ganzen Welt verteilt waren. Selbst Davídsson war damals von dem Klangbild fasziniert gewesen. Auch
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