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Olafur Davidsson 02 - Herbstwald

Olafur Davidsson 02 - Herbstwald

Titel: Olafur Davidsson 02 - Herbstwald
Autoren: Alexander Guzewicz
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stehen, um die Briefe mit dem fürstlichen Wappen zu überfliegen.
    »In erster Linie durch Forstwirtschaft. Zu der Stiftung gehört auch ein Waldgrundstück von etwa 3.200 Hektar. Das macht etwa 70 Prozent der Einnahmen aus. Außerdem verkaufen wir zu Weihnachten Tannen, dann gibt es noch die Mieteinnahmen und natürlich noch die Eintrittsgelder.«
    Davídsson dachte an die ältere Dame hinter dem Fenster am Torbogen, die ihm eine Jahreskarte für zehn Euro verkauft hatte.
    »Die Eintrittsgelder verlangen wir erst seit 2006«, fuhr sie fort.
    »Kommen viele Touristen in die Fuggerei?«
    »Ja, wir haben hier auch viele internationale Besucher. Japaner, Amerikaner, Chinesen, viele Europäer. Die Siedlung ist ein Touristenmagnet in Augsburg.«
    »Stört das die Bewohner nicht?«
    »Ab 18:00 Uhr kehrt allmählich Ruhe ein und tagsüber müssen sich die Bewohner einfach damit abfinden. Dafür wohnen sie ja recht günstig hier, nicht wahr?«
    Ólafur Davídsson beobachtete, wie eine kleine Gruppe Italiener Fotos von einem Schalenbrunnen machte, der mitten auf der Hauptkreuzung der Stiftung stand. Das Plätschern des Wassers wurde vom lauten Durcheinander der Reisegruppe übertönt.
    Hier an dem Platz wollte ich nicht wohnen, wenn ich schon hier leben müsste, dachte er.
    »Der Brunnen ist eines der beliebtesten Motive der Touristen.«
    Die Häuser rund um den Platz waren mit dichtem Efeu überwachsen, der selbst jetzt im Herbst noch leuchtete. An einem Hausgiebel entdeckte er eine Schnitzerei, die offensichtlich Maria darstellen sollte, wie sie das Jesuskind auf ihrem Arm hielt.
    Die Religion ist hier allgegenwärtig, dachte er.
    Insgesamt gesehen war die Siedlung eine schön grüne, idyllische Insel mitten in der Stadt, die über eine eigene Kirche verfügte, ein Verwaltungsgebäude, einen kleinen Laden, einen Biergarten und ein eigenes Feinschmeckerrestaurant hatte. Selbst eine Schreinerei hatte er auf dem Plan entdeckt, der in dem Schaukasten hing.
    »Werden das Restaurant und die Fuggerei-Stube auch von Ihnen betrieben?«
    »Früher einmal. Jetzt sind sie verpachtet. Der Aufwand wurde einfach zu hoch. Wir verwalten ja nicht nur die Fuggerei, sondern auch noch die anderen fürstlichen Stiftungen.«
    Sie gingen durch die Ochsengasse und dann an der Schreinerei vorbei zu dem Haus, in dem Catharina Aigner gelebt hatte.
    »Haben Sie engen Kontakt zu den Bewohnern der Fuggerei?«
    »Ich weniger. Eigentlich ist dafür Frau Gruber zuständig. Sie ist die Ansprechpartnerin für die Bewohner und kümmert sich auch um die Neuaufnahme.«
    »Die Dame, die heute Vormittag zum Zahnarzt musste.«
    Elisabeth Hübner lächelte zum ersten Mal. »Der Termin war schon lange geplant, bevor …«
    »Ich verstehe.«
    »Wie ist das Sozialleben innerhalb der Siedlung? Hilft man sich hier mehr als anderswo? Kennen sich die Bewohner?«
    »Früher war das wohl mal so gewesen. Ich habe gehört, dass es früher am Brunnen spontane Gartenfeste gegeben hat, wenn die Tore von den Nachtwächtern geschlossen wurden. Heute ist das hier wie sonst überall. Es gibt hilfsbereite Nachbarn und welche, die sich einfach zurückziehen und alles um sich herum vergessen wollen. Das spüren wir vor allem, wenn es um die Gemeinschaftsarbeiten geht. Es ist gar nicht so leicht, hier jemanden zu finden, der sich um die Grünanlagen kümmert oder die Nachtwache übernehmen möchte. Auch das war früher anders.«
    »Ich verstehe.« Davídsson blieb vor einer Büste von Jakob Fugger stehen und versuchte aus dessen Gesichtsausdruck schlau zu werden.
    »Warum wurde die Fuggerei überhaupt gegründet?«, fragte er, nachdem er die gleichgültige Miene studiert hatte. Vielleicht war das einfach die Zeit gewesen, die es den feinen Bürgern verbot, eine Gefühlsregung öffentlich zu zeigen, dachte er.
    »Naja, es gab natürlich karitative Beweggründe für die Stiftung, nehme ich an. Immerhin hat der ursprüngliche Gedanke bis in unsere Zeit überlebt. Man kann also sagen, dass Jakob Fugger ein sehr vorausschauender Mann gewesen ist. Vermutlich war es aber auch, weil er beim Volk nicht besonders beliebt war. Damals versuchte man sich durch den Ablasshandel in den Himmel einzukaufen, und ich denke, er wollte sich mithilfe der drei Gebete und durch die Stiftung einen schönen Platz im Himmel sichern.«
    »Aber das war eine ziemlich teure Methode, einen guten Platz im Himmel zu bekommen, oder?« Davídsson dachte an die Griechen, die nach dem Tod keine Unterschiede mehr zwischen
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