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Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)

Titel: Oksa Pollock. Die Unbeugsamen (German Edition)
Autoren: Cendrine Wolf , Anne Plichota
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was du vollbracht hast, meine Duschka, ist ein Wunder. Ein wahres Wunder.«
    Auf einmal ertönte ein gewaltiges Donnern. Die Wände der Kammer erzitterten, Staub rieselte von der Decke. Oksa stieß einen verzweifelten Schrei aus.
    »Es hat nicht funktioniert! Ihr täuscht euch allesamt, ich habe es nicht geschafft!«
    Die Alterslosen nahmen sie sogleich in ihre Mitte.
    »Keine Angst, Junge Huldvolle: Ihr habt es sehr wohl geschafft! Was Ihr jetzt hört, ist die Einrichtung der Sanduhr Eurer Herrschaft. Sie bestimmt, über wie viel Zeit Ihr als Huldvolle verfügen werdet.«
    »Soeben hat sie sich umgedreht und lässt die ersten Sandkörner Eurer Herrschaft rieseln.«
    »Und … werde ich lange regieren?« Diese Frage konnte sich Oksa nicht verkneifen.
    Da vernahm sie das helle Lachen der Alterslosen. Ein ansteckendes Lachen, in das sie unwillkürlich einstimmte.
    »Okay, ich hab’s kapiert!«, sagte Oksa mit einem breiten Grinsen. »Das ist nicht das Entscheidende, da sind wir uns einig. Aber ich muss zugeben, dass ich schon zu gern wüsste …«
    »Wie das Universum und all seine Bestandteile, so ist auch die Regierungszeit etwas Lebendiges«, erklärte die größte der Feen. »Sie hängt von der Kraft der amtierenden Huldvollen ab und von der Harmonie, die sie erschafft. Sie ist nicht von vornherein festgelegt, keiner kann sie kontrollieren. Sie endet nur, wenn die Harmonie zerbrochen ist oder wenn der Zeitpunkt gekommen ist, den Stab an eine Neue Huldvolle zu übergeben.«
    Oksa überlegte einen Moment.
    »Oder wenn der Eid gebrochen wird, wie bei Malorane«, sagte sie schließlich. »Wenn die Huldvolle den Regeln zuwiderhandelt, die ihre Herrschaft begleiten, dann hört alles auf.«
    Die Feen neigten zustimmend den Kopf.
    »Eine lebendige Regierungszeit«, sinnierte Oksa laut. »Bei euch ist wirklich nichts so wie anderswo! Und wo ist sie nun, diese Sanduhr? Ich würde sie gerne sehen.«
    »Hier«, antwortete die große Fee und führte Oksa zu einer schmalen Tür in der aus Kristallblöcken bestehenden Wand.
    Ein vollkommen leerer Raum grenzte an die Kammer. Das schwache Licht verlieh ihm eine abgeschirmte, jedoch friedliche Atmosphäre, zu der auch seine runde Form beitrug. Oksa schwebte bis in die Mitte dieses Raums und suchte vergeblich nach der Sanduhr.
    »Ich sehe sie nirgends«, sagte sie schließlich.
    Der kleine Raum hatte keine einzige Nische und auch keinen Winkel, in dem man hätte suchen können. Nur vier glatte Säulen standen in der Mitte. Diese Schmucklosigkeit fachte Oksas Neugier nur umso mehr an. Einige Zentimeter über dem Boden schwebend, suchte sie die ganze Fläche ab, bis schließlich eine der Feen sie unterbrach.
    »Achtung, Junge Huldvolle! Dort ist die Sanduhr!«
    Die große Fee stellte sich direkt vor sie und erhellte einen kleinen Abschnitt der Bodenfliesen, auf denen sich tatsächlich die Sanduhr befand.
    »Aber die ist ja winzig klein!«, rief Oksa aus.
    Sie schaukelte ein wenig in der Luft, um das Gleichgewicht zu halten, und holte ihr Granuk-Spuck heraus.
    »So geht es besser«, stellte sie zufrieden fest, nachdem sie eine Reticulata zum Vorschein gebracht hatte.
    Die Blasenlupe ließ jedes Detail des winzigen Gegenstands hervortreten. Zunächst wirkte die Sanduhr recht schlicht mit ihrem Gestell aus Holz und den feinen Metallaufsätzen. Doch die »Sandkörner ihrer Herrschaft«, wie die Fee sie genannt hatte, waren ganz und gar unglaublich, nämlich zugleich leuchtend und dunkel. Zwei Körner waren bereits herabgerieselt – schon! –, und Oksa stellte fest, dass sie das irritierte. Die Sanduhr war doch eben erst aufgestellt worden!
    »Das geht ja rasend schnell«, murmelte sie und steckte ihr Granuk-Spuck weg.
    »Es ist an der Zeit, Eure Amtseinsetzung zu vollenden, Junge Huldvolle«, sagte die Fee jetzt. »Dann kann Eure Herrschaft richtig beginnen.«
    Oksas Herz krampfte sich zusammen. Die Zukunft erschien ihr noch viel schwieriger als alles, was sie bisher gemeistert hatte. Hier drin war sie wenigstens in Sicherheit.
    »Kommt mit!«, sagte die Fee und geleitete sie zurück in die Kammer.
    Dragomira hatte inzwischen fast wieder ihre alte körperliche Gestalt angenommen, nur ihre Konturen blieben etwas verschwommen. Sie streckte Oksa die Arme entgegen, und das Mädchen stürzte auf sie zu, verunsichert von dem traurigen Lächeln auf dem Gesicht ihrer Großmutter. Schweigend genossen sie den Augenblick, denn sie wussten beide, dass er kurz sein würde. Dann flüsterte
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