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Ohrenzeugen

Titel: Ohrenzeugen
Autoren: Wildis Streng
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Lungen durchströmte, fühlte er sich innerlich und äußerlich sauber. Porentief rein, sozusagen.
    Nicht zuletzt war das Ganze schön warm. Und er vermisste die Wärme des Sommers. Er war kein Wintermensch. Dieses ganze Getue um angebliche verschneite Märchenlandschaften konnte er überhaupt nicht nachvollziehen. Im Winter war es kalt. Kalt und nass. Man musste sich in dicke, unförmige Klamotten hüllen, wenn man nicht erfrieren wollte. Igitt. Sommersauna war also heute genau das Richtige.
     
    Die Sauna war bereits gut gefüllt, nur nach längerem Suchen hatte er noch einen leeren Schrank entdeckt. Er wickelte sich das Handtuch um– ein besonders flauschiges– und ging duschen.
     
    Kurze Zeit später saß er neben Till auf der höchsten Stufe der Erdsauna. Etwa 30 Wellnesshungrige warteten hier auf den Aufguss.
    Die Bänke waren im Sechseck angeordnet. In der Mitte stand ein großer Ofen, der wohlige Wärme verbreitete. Darauf lagen enorme Steine, auf die später das Duftmittel aufgegossen werden würde. Anders als in den meisten Saunen herrschte hier keine Grabesstille, sondern die Leute unterhielten sich angeregt. Murmelnd zwar, aber sie unterhielten sich.
    Nur Heiko war nicht nach Reden zumute. Still brütete er vor sich hin. Endlich öffnete sich die Saunatür und ein mittelgroßer, kräftiger Mann mit dunkelblonder Bürstenfrisur trat ein. Er trug ein rotes T-Shirt und eine blaue Hose, in seiner Hand schleppte er einen Holzeimer und über der Schulter hing ein gelbes Handtuch.
    »Guten Abend«, grüßte er mit osteuropäischem Akzent. Die Saunagänger erwiderten seinen Gruß.
    »Ich bin Csaba«, fuhr er fort. »Heute habe ich für Sie Eukamenthol. Der Aufguss wird circa zehn Minuten dauern. Wer nicht kann aushalten, soll rausgehen. Un jetz wünsch ich viel Spaß!«
    Heiko schloss die Augen. Eukamenthol– das würde seinen Kopf wieder klar machen.
    Csaba goss mehrere Schöpfkellen der duftenden Mischung auf die heißen Steine. Es zischte und sofort stiegen wohlriechende Dampfwolken auf. Den Anwesenden entrang sich ein zufriedenes Stöhnen. Mit beinahe religiöser Pietät wickelte Csaba nun das Handtuch zu einer Wurst und ließ es schnell über dem Kopf kreisen.
     
    Zehn Minuten später stand Heiko mit Till draußen vor der Sauna.
    »Hast du gut gemacht, Csaba«, lobte er, und der verschwitzte Saunameister dankte grinsend. »Rauchen wir eine?«, schlug Till vor, und Heiko nickte. Kurze Zeit später standen sie in der Raucherecke, der Kommissar mit seinem grünen Bademantel, den er immer in seiner Tasche mitschleppte, für nach dem Aufguss und fürs Kaffeetrinken an der Bar. Till hatte sich ein orangefarbenes Handtuch um den massigen Leib gewickelt.
    »Und, erzähl!«, forschte Till.
    Heiko steckte sich die Zigarette in den Mund, zündete sie aber noch nicht an.
    »Echt brutal!
    »Was ist brutal?«
    »Ein Mord.«
    »Mord?«, wunderte sich Till und zog die spärlichen roten Augenbrauen hoch. »In Crailsheim?«
    Heiko senkte die Lider, was als Ja genügte, und zündete sich die Zigarette an.
    »Und? Eifersüchtige Ehefrau? Verschmähter Liebhaber? Oder was is passiert?«
    Heiko zog an der Kippe. »Also, so was hab’ ich noch nie gesehen, noch gar nie!«, sagte er.
    Till schürzte ungeduldig die Lippen. »Jetzt red doch endlich!«, forderte er.
    »Dem Kerl steckte eine Axt mitten im Gesicht«, erzählte Heiko nun. Er deutete auf seine Nase. »Mittendrin. Und alles voller Blut. Ich hab’ so was noch nie gesehen!« Wieder zog er an der Kippe.
    »Und weiß man schon, wer?«
    »Weißt du, das Gesicht war praktisch nicht mehr da. Die Axt ist ja ein breites Ding. So breit!«, Heiko zeigte mit den Händen die Größe.
    »Brutal«, sagte Till. »Und? Hast du schon eine Idee?«
    Heiko strich eine Falte in seinem Bademantel glatt. »Keine Ahnung. Aber das hat echt brutal ausgesehen!«
     
    Lisa schloss die Wohnungstür auf. Sofort hörte sie forderndes Maunzen und Garfield, ihr rotgetigerter Kater, strich ihr um die Füße.
    »Ja ja, ist ja gut«, beschwichtigte sie und eilte in die Küche. Ungeduldig hockte der Kater bereits vor seiner Futterschüssel und pendelte wild mit dem Schwanz hin und her.
    Lisa öffnete eine Dose des ihrer Meinung nach gewöhnungsbedürftig riechenden Katzenfutters und leerte den Inhalt in den Katzennapf. Elegant beugte Garfield seinen großen Kopf über die Schüssel und begann augenblicklich zu fressen. Lisa seufzte, ging ins Wohnzimmer und setzte sich aufs Sofa. Umständlich zog sie sich
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