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Ohrenzeugen

Titel: Ohrenzeugen
Autoren: Wildis Streng
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die Schuhe aus und wollte gerade die Füße hochlegen, als ihr Telefon klingelte. Der schrille Ton fuhr ihr durch Mark und Bein.
    »Rinnnnnnng, Riiiinnnnnng!«, tönte es fordernd und hörte auch nicht auf. Mit einem unwilligen Stöhnen erhob sich Lisa aus ihrer bequemen Haltung und schlappte zum Telefon. Sie nahm den Hörer ab und meldete sich mit einem formlosen: »Ja?«
    »Kind?«
    Oh Gott, nicht das. Nicht ihre Mutter. Sie schloss die Augen und atmete entnervt durch. »Ja?«, sagte sie noch einmal.
    »Ist alles in Ordnung? Du hörst dich aber gar nicht gut an!«
    »Was soll denn sein?«, schnauzte Lisa. Schweigen am anderen Ende der Leitung. Lisa holte tief Luft.
    »Tut mir leid, ich hatte einen anstrengenden Tag«, entschuldigte sie sich, obwohl ihr nicht nach Einlenken war. Sie wusste sowieso, was jetzt kommen würde.
    »Kein Wunder«, schimpfte ihre Mutter. »Weißt du, ich verstehe ja nicht, was das Ganze soll. Ich finde wirklich, du könntest wieder nach Hause kommen! Der arme Stefan ist ganz unglücklich!« Garfield strich ihr um die Füße.
    »Der braucht nicht unglücklich zu sein«, versetzte Lisa. »Der hat schließlich mich beschissen und nicht umgekehrt!«
    »Sagt ja niemand, dass er keinen Fehler gemacht hätte«, fuhr die Mutter fort. »Aber man kann doch über alles reden. Du hättest ja nicht gleich sonst wohin müssen! Wie heißt dieses Kaff noch mal?«
    »Crailsheim!«
    »Bei Stuttgart, oder? Na wunderbar, meine Tochter wird eines Tages mal einen schwäbischen Schweinebauern heiraten!«
    Lisa verzichtete darauf, ihrer Mutter zu erklären, dass Schwaben und Hohenlohe zwei völlig verschiedene Landstriche waren.
    »Sonst noch was?«, meinte sie genervt.
    »Aber Kind!« Ihre Mutter schlug einen versöhnlicheren Tonfall an. »Ich will doch wirklich nur das Beste für dich. Der Stefan ist doch im Grunde wirklich in Ordnung! Gib ihm doch noch eine Chance!«
    »Ich überlege es mir«, log Lisa.
    Fünf Minuten später saß sie tatsächlich auf dem Sofa. Endlich. Garfield hatte es sich auf ihrem Schoß bequem gemacht und verlangte, gestreichelt zu werden. Nachdenklich kraulte sie das weiche Fell und der Kater begann zu schnurren. Nein, sie würde Stefan keine weitere Chance geben. Er hatte seine Chance gehabt.
     

Mittwoch, 15. April
    Als Erstes hatten sie Uwe die Uhr zurückgebracht. Lautstark hatte der Spurensicherer sich darüber beschwert, dass sie das Beweisstück so lange entführt hatten.
    Nun waren sie auf dem Weg ins Büro, wurden aber prompt abgefangen. »Heiko und Frau Luft, kommt mal rein!«, dröhnte es vom anderen Ende des Flurs. Heiko seufzte. Sein Chef, Herr Ullrich, Georg Ullrich, genannt Schorsch. Meistens hockte er vor seinem hochmodernen Computer und spielte Solitär. Wenn die Kollegen bei ihm waren, minimierte er das Fenster mit dem Spiel immer schnell und glaubte, das würde keiner bemerken. Er war sicherlich der absolute Solitär-Champion. Aber überarbeiten tat er sich nicht. Er ließ arbeiten.
    »Und, wie läuft’s im Mordfall Weidner?«, wollte er wissen, als sie das Büro betraten. Er faltete die Hände über seinem Bierbauch, den er jeden Tag in ein andersfarbiges Hemd zwängte. Außerdem trug er dazu stets eine mehr oder weniger passende Krawatte. Immerhin war er ja der Chef. Sein schütteres graues Haar klebte er in Strähnen über die Glatze, um Selbige zu kaschieren.
    Lisa, die noch Respekt vor ›Schorsch‹, wie ihn alle hinter seinem Rücken nannten, hatte, lächelte beflissen.
    »Was habt ihr denn schon alles?«, drängte Schorsch.
    Heiko räusperte sich. »Wir nehmen uns jetzt als Erstes seine Kumpels vom Kleintierzuchtverein vor, danach seine Frau und seine Kinder.«
    Schorsch nickte. »Sou is reechd«, lobte er. »Und was gibt’s vom Herrn Walter?« Heiko war immer kurz irritiert, wen der Chef meinte, wenn er nach einem Herrn Walter fragte. Für ihn und für alle anderen auf dem Revier war der Uwe einfach nur der Uwe.
    »Eine Uhr hat er gefunden und die Axt untersucht er auch, aber sonst gibt es noch nicht so viel.«
    Schorsch brummte gnädig. »Haja, dann müsst ihr halt herausfinden, was für eine Uhr das ist und von wem, gell? Also, dann könnt ihr das bei der Besprechung ja so sagen.«
    Heiko hasste die Besprechungen. Jeden Morgen traf sich das ganze Revier und von jedem Fall gab es einen Bericht über die neuesten Erkenntnisse. Vor Leuten konnte er gar nicht gut reden und so hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, Lisa bei solchen Gelegenheiten reden zu
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