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Ohne jedes Tabu

Ohne jedes Tabu

Titel: Ohne jedes Tabu
Autoren: Barbara McCauley
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über ihre Abflugzeit hatte sie ihn nicht informiert.
    Vielleicht war es besser so. Wenn er aufgewacht wäre und sie sich wieder gestritten hätten, wäre alles noch schlimmer geworden.
    Wenn es überhaupt noch schlimmer werden kann, dachte Raina und blinzelte gegen die Tränen an.
    Als Lucian aufwachte, hatte er das Gefühl, dass die Parade zum 4. Juli direkt in seinem Kopf stattfand. Menschenmassen schrien, Tubas dröhnten, ganze Musikkapellen marschierten quer durch sein Gehirn. Sein Mund fühlte sich an wie Zuckerwatte, ohne den Zucker, und sein Magen schlingerte wie einer dieser riesigen Luftballons im Wind.
    Wenn ich einen Korken im Kopf hätte, dachte Lucian, dann würde er zweifellos in diesem Moment hochgehen.
    Vorsichtig öffnete er die Augen, stöhnte und schloss sie hastig wieder.
    Die Morgensonne schien direkt durch seine Augäpfel zu strahlen und gab dem Ausdruck „flüssiges Feuer” eine neue Bedeutung.
    Wenn er am Leben blieb - und er war sich nicht sicher, ob er das wollte -, hoffte er, niemals wieder die muntere Aufforderung
    „auf ex” hören zu müssen.
    Noch immer in den gleichen Sachen wie gestern, streckte er sehr, sehr langsam seine Beine und setzte sich auf, wobei er sich an der Matratze festklammern musste, um nicht von der Bettkante flach auf den Bauch zu fallen.
    Kein Bett, stellte er fest, als er die Augen wieder einen Spaltbreit öffnete.
    Das Sofa.
    Kein Wunder, dass sich sein Körper anfühlte, als käme er aus der Waschmaschine - nach dem Schleudergang. Seine Gelenke knackten, als er sich streckte, und das dumpfe, schwere Pochen in seinem Kopf wurde noch schrecklicher.
    Idiotisch.
    Er hatte zwar vorgehabt, sich ein wenig über den Kummer hinwegzutrösten, aber er hatte nicht beabsichtigt, so viel zu trinken. Dabei hatte er nicht einmal etwas Hochprozentiges bestellt, was er eigentlich vorgehabt hatte. Doch ein Bier hatte zum nächsten geführt, und ehe er sich versah, hatten verschiedene andere Gäste an seinem Schicksal Anteil genommen und noch ein Bier ausgegeben. Glücklicherweise hatten einige seiner Trinkkumpane ihn zurück in die Wohnung gebracht, obwohl er keine Ahnung hatte, wann das gewesen war.
    Er blickte auf seine Armbanduhr und brauchte einen Moment, bis er die Uhrzeit entziffern konnte. Verdammt! Es war schon fast elf.
    In der Wohnung war es ruhig. Zu ruhig. Und da wusste er, dass sie schon weg waren.
    Er wusste nicht, mit welchem Flug oder wann sie fliegen würde. Sie hatte nur gesagt, am Nachmittag.
    Verdammt, verdammt, verdammt!
    Den letzten Morgen, den er für die nächsten sechs Monate mit seiner Tochter hätte verbringen können, hatte er betrunken auf dem Sofa verbracht.
    Und es war auch die letzte Möglichkeit gewesen, Raina zu sehen. Er rieb sich über die Brust und wusste, dass der Schmerz dort nichts mit den vielen Bieren zu tun hatte.
    Sie flogen heute weg. Nach Florenz.
    Er schloss die Augen und holte tief Luft, bevor er sich mit den Händen durchs Haar fuhr. Selbst diese kleine Bewegung ließ seinen Kopf noch stärker pochen. Nur ein einziges Mal war er mit solchen Kopfschmerzen aufgewacht, und das war nach seinem Unfall gewesen, als er sich in einem Krankenhausbett wieder gefunden hatte.
    Es war wohl Ironie des Schicksals, dass es beide Male um Raina gegangen war. Er war doch nur losgefahren, um ein paar Blumen für sie zu besorgen, Rosen oder …
    Lucian riss die Augen auf und ignorierte den Schmerz in seinen Schläfen.
    Blumen.
    Er war aufgestanden, um ihr Blumen zu kaufen. Es war noch zu früh am Sonntagmörgen gewesen, als dass das Blumengeschäft geöffnet haben konnte, also war er auf dem Weg zu Sydneys Restaurant gewesen, in der Hoffnung, dass sie ein paar Rosen für ihn hatte. In der Nacht hatte es geschneit, die Straßen waren glatt gewesen. Völlig in Gedanken an Raina versunken, hatte er das Eis auf der Fahrbahn nicht bemerkt, war ins Schlingern geraten und dann …
    Nichts.
    Verdammt! Er konnte sich nicht erinnern, was danach geschehen war.
    Er schloss die Augen, verdrängte alle anderen Gedanken und überließ sich den Erinnerungen …
    Gabe und Melanies Hochzeit …
    „Auf die Braut und den Bräutigam”, hatte er gesagt.
    Aber an diese kleine Begebenheit konnte ich mich auch vorher schon erinnern, dachte Lucian frustriert. Er versuchte sich zu entspannen.
    Der Hinterausgang eines Festsaals …
    Raina neben ihm …
    „Soll ich dich mitnehmen? Ich muss diese Geschenke sowieso zu Gabe und Melanies Haus bringen.”
    Gabes Haus …
    Er
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