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Ohne Ende Leben - Roman

Ohne Ende Leben - Roman

Titel: Ohne Ende Leben - Roman
Autoren: Libba Bray
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heiße Cameron Smith.«
    »Und warum sollte ich dich retten, Cameron Smith? Was ist an dir so besonders?«, fragt Dr.   X mit müder Stimme.
    »Ich   … ich weiß nicht. Es ist nur, weil Dulcie gesagt hat, Sie würden es tun, und es wäre irgendwie ganz schrecklich, wenn   –«
    Dr.   X unterbricht mich. »Schreckliche Dinge passieren die ganze Zeit. Weißt du das nicht? Und es gibt keinen Grund dafür, überhaupt keinen Grund. Kein Gott hält seine schützende Hand über uns wie ein guter Vater. Unser Leiden ist ohne Bedeutung. Nun ja, irgendjemand sollte etwas dagegen tun! Es sollte einen Weg geben, der dem Leid Einhalt gebietet, der Einsamkeit und der Ungewissheit. Und ich habe die Antwort gefunden – einen Weg, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen. Los, mach schon. Zieh den Vorhang dort drüben zur Seite.«
    Ich höre das Echo meiner Schritte in dem fast leeren Raum. Ich ziehe den Vorhang zur Seite. In Regalen, die sich vom Fußboden bis zur Decke erstrecken, steht die beeindruckendste Schneekugelsammlung, die ich je gesehenhabe. Jede einzelne Kugel trägt die Aufschrift VEREINIGTE SCHNEEKUGEL-GROSSHÄNDLER.
    Dr.   X’ Hand umschließt eine Kugel. »Das ist die Antwort: Die Sehnsucht – das Verlangen – zu unterbinden. Unsere Atome schlafen in Frieden.«
    »Sie haben etwas von Ihren Reisen im Unendlich-Beschleuniger mitgebracht«, sage ich. »Sie haben dunkle Energie in unserer Welt freigelassen.«
    »Hab ich das? Oh. ’tschuldigung.«
    »Entschuldigung?« Ich lache. »Entschuldigung? Mann! Ich hab das Wurmloch geschlossen, ganz nebenbei bemerkt! Sie können mir später dafür danken.«
    »Sie können mir später dafür danken«, amüsiert sich Dr.   X. »Das ist aus
Star Fighter
, stimmt’s?«
    »Ja«, sage ich und bin ein bisschen beeindruckt. Und dann denke ich dran, dass er ein totales Arschloch ist, so wie er sich hier benimmt. »Sie waren einmal ein Wissenschaftler. Sie haben erstaunliche Dinge getan! Ich mein, Parallelwelten, Zeitreisen – das ist gigantisch! Ich glaub nicht, dass es etwas Gigantischeres gibt als das.«
    »Spielt das noch eine Rolle, wenn wir nicht mal diese eine Ungerechtigkeit des Lebens aufhalten können: Jedes einzelne Teilchen in uns ist dazu bestimmt zu leben, und trotzdem sterben wir. Und was wir lieben, kann uns von einem Augenblick zum nächsten genommen werden.« Er blinzelt, und auf dem Bildschirm scheinen seine Augen riesig, wie die einer verwirrten Eule. »Deshalb habe ich die Vereinigten Schneekugel-Großhändler gegründet. Um die Ungewissheit zu beseitigen. Das Leid. Nein. Ich muss weiterarbeiten. Du findest allein nach draußen.«
    »Nicht ohne Dulcie«, sage ich.
    »Wer ist diese Dulcie?«
    »Eine Freundin. Ich glaube, sie ist jetzt Teil Ihrer Sammlung. Ich möchte sie einfach zurück. Mehr nicht.«
    »Nun gut.« Dr.   X klatscht in die Hände. »Nenn mir einen wahren Grund, eine Sache, für die es sich zu leben lohnt, und du kannst deine Freundin wiederhaben.«
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich kann alles sagen – Fisch, Popcorn, Einrad. Was mir wichtig ist, kann Dr.   X einen Dreck bedeuten. Ich bin so müde, meine Muskeln zittern und mir ist zum Heulen zumute. Und so sage ich das Einzige, was mir in den Sinn kommt, das Wahrhaftigste, das mir einfällt: »Leben heißt lieben, lieben heißt leben.«
    Auf dem Bildschirm blinzelt Dr.   X und denkt nach. Und dann steht plötzlich Dulcies Schneekugel auf dem Schreibtisch. Ihre Plastikfäustchen presst sie gegen die Scheibe und ihr rot angemalter Mund ist zu einem Schrei geöffnet.
    »Lassen Sie sie frei«, sage ich.
    »Ah«, sagt Dr.   X leise, »das kann ich nicht tun.«
    »Sie müssen sie zurückholen!«, sage ich.
    »Ich kann auch dich einfrieren. Dann fühlst du gar nichts.«
    »Ich will nicht nichts fühlen.«
    »Wunderbar«, murmelt er und das Bild am Schirm steht still.
    Jemand im Raum klatscht. Der Große Abrechner bewegt sich auf mich zu und applaudiert. Er ist genauso groß wie ich. An seinem Gürtel hängt eine Scheide, aus der ein gleißendes Schwert herausragt. Er hebt seine behandschuhten Hände und setzt den Helm ab. »Hey, Cameron. Erinnerst du dich?« Der Große Abrechner grinst und ich würde dieses Grinsen überall wiedererkennen. Ich habe dieses Grinsen sechzehn Jahre lang gesehen, wenn ich in den Spiegel guckte. »Große Überraschung, nicht wahr? Ich wette, du wusstest nicht, dass du diesen Pickel am Kinn hast.«
    »Das kann nicht wahr sein.«
    »Und trotzdem ist es so.
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