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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort
Autoren: Linwood Barclay
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plötzlich beim Mittagessen, was Tess mir anvertraut hat. Dass sie jahrelang anonym Geld erhalten hat. Und dass sie die Umschläge und den Brief aufbewahrt hat, in dem sie der anonyme Spender aufgefordert hat, keineNachforschungen anzustellen und niemals auch nur ein Wörtchen über die finanziellen Zuwendungen zu verlieren. Kurz: dass sich sowohl die Umschläge als auch der Brief nach all den Jahren noch in ihrem Besitz befinden.«
    Rolly schien es die Sprache verschlagen zu haben.
    Ich beschloss, die Sache von einer anderen Seite anzugehen. »Nehmen wir mal an, ein Mann ist bereit, für seine Mutter zwei Menschen zu töten. Und während er drauf und dran ist, genau das zu tun, sagt er ihr plötzlich, dass er nie zuvor jemanden umgebracht hat. Würdest du ihm glauben?«
    »Was? Ich verstehe kein Wort.«
    »Ich denke nur laut nach. Ich glaube nämlich, dass es die Wahrheit ist. Ein Mann, der schon einmal getötet hat, hätte nicht den geringsten Grund, in einer derartigen Situation damit hinter dem Berg zu halten.« Ich hielt kurz inne. »Tja, jedenfalls hat mir das stark zu denken gegeben. Bis dahin war ich nämlich felsenfest davon überzeugt gewesen, er hätte bereits zwei Menschen ermordet.«
    »Ich habe keine Ahnung, worauf du hinauswillst«, sagte Rolly.
    »Ich rede von Jeremy Sloan. Von Claytons Sohn aus seiner anderen Ehe. Ich nehme an, dass du Bescheid weißt. Mit ziemlicher Sicherheit hat Clayton dich eingeweiht, bevor du die Kurierdienste für ihn übernommen hast. Erst habe ich geglaubt, Jeremy hätte Tess umgebracht. Ebenso wie Denton Abagnall. Aber inzwischen bin ich mir da alles andere als sicher.«
    Rolly schluckte.
    »Bist du nach unserem Mittagessen zu Tessrausgefahren?«, fragte ich. »Weil du Angst hattest, sie könnte sich mittlerweile das eine oder andere zusammengereimt haben? Oder weil du dir nicht sicher warst, ob vielleicht doch Fingerabdrücke auf den Umschlägen waren? Weil du befürchten musstest, dass man dich irgendwie mit Clayton in Verbindung bringen und er euer Geheimnis vielleicht doch ausposaunen würde?«
    »Ich wollte sie nicht töten«, sagte Rolly.
    »Dafür hast du aber ganze Arbeit geleistet«, sagte ich.
    »Ich wollte es nicht, aber … Du hattest mir ja erzählt, dass sie an irgendeiner tödlichen Krankheit litt, und so dachte ich, dass ich sie sowieso nur erlösen würde. O Mist, und kurz darauf habe ich dann von dir erfahren, dass alles nur ein Irrtum war.«
    »Rolly …«
    »Tja«, sagte er. »Und den Brief und die Umschläge hatte sie diesem Detektiv gegeben.«
    »Die Visitenkarte an der Pinnwand«, sagte ich. »Du hast sie mitgenommen.«
    »Ich habe ihn angerufen«, sagte er. »Und mich mit ihm in dem Parkhaus getroffen.«
    »Und dort hast du ihn umgebracht«, sagte ich. »Und seine Aktentasche entwendet. In der sich die Umschläge befanden.«
    Rolly legte den Kopf zur Seite. »Mal ernstlich, glaubst du, sie hätten nach all den Jahren noch Fingerabdrücke von mir auf den Umschlägen gefunden?«
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Ich bin bloß Englischlehrer.«
    »Ich habe sie trotzdem vernichtet«, sagte Rolly.
    Ich sah zu Boden. Nicht nur wegen der Schmerzen in meinen Rippen, sondern wegen der überwältigenden Traurigkeit, die mich zu übermannen drohte. »Rolly«, sagte ich. »Du warst immer ein guter Freund, jemand, auf den ich wirklich zählen konnte. Okay, du hast vor fünfundzwanzig Jahren einen Fehler gemacht, einen großen Fehler, aber ich gehe davon aus, dass du Connie Gormley tatsächlich nichts antun wolltest, und wahrscheinlich würde ich darüber Stillschweigen bewahren. Es würde mir einiges abverlangen, aber für einen echten Freund würde ich unter Umständen über meinen Schatten springen.«
    Er musterte mich aufmerksam.
    »Aber dass du Tess umgebracht hast, ist etwas völlig anderes. Tess, die immer für uns alle da war. Und dann hast du ebenso kaltblütig weitergemordet. Nein, Rolly, damit werde ich dich nicht davonkommen lassen.«
    Er griff in seine Manteltasche und zog eine Pistole. Ich fragte mich, ob es die Waffe war, die er vor ein paar Wochen auf dem Schulgelände gefunden hatte.
    »Verdammt noch mal.«
    »Los, Terry«, sagte er. »Geh nach oben.«
    »Das meinst du nicht ernst«, sagte ich.
    »Das Wohnmobil steht bereits vor meiner Haustür«, sagte er. »Ein Boot habe ich auch schon ausgesucht. Nur noch ein paar Wochen und ich kann endlich in Rente gehen. Und das habe ich mir auch verdient.«
    Er wies zur Treppe und folgte mir nach oben. Kurz
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