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Ohne ein Wort

Ohne ein Wort

Titel: Ohne ein Wort
Autoren: Linwood Barclay
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saß. »Das ist deine Schwester. Deine Schwester . Und die Kleine neben ihr, das ist deine Nichte. Wenn du dich jetzt zum Komplizen deiner Mutter machst, bist du keinen Deut besser als ich.«
    »Dad«, gab Jeremy zurück, immer noch hinter den Kotflügel des Impala geduckt. »Warum hast du ihr alles vererbt? Du kennst sie doch gar nicht! Wie konntest du nur so grausam zu mir und Mom sein?«
    Clayton gab einen Seufzer von sich. »Werde erwachsen«, sagte er. »Hör endlich auf, dich an ihren verdammten Rockzipfel zu klammern.«
    »Halt deinen dreckigen Mund«, schnauzte Enid.
    »Jeremy«, rief ich. »Weg mit der Waffe! Das Spiel ist aus!« Ich lag im Gras, hielt Vince’ Pistole fest in beiden Händen. Es sah richtig professionell aus, auch wenn ich nicht die geringste Ahnung von Feuerwaffen hatte.
    Mit einem Mal kam er aus seiner Deckung und schoss. Zu meiner Rechten wirbelte Staub auf, und ich warf mich instinktiv in die andere Richtung.
    Cynthia stieß abermals einen Schrei aus.
    Dann hörte ich, wie sich schnelle Schritte näherten. Ich schnellte hoch und brachte die Pistole in Anschlag, aber im selben Moment trat Jeremy mir die Waffe aus der Hand. In hohem Bogen flog die Pistole ins Gras.
    Mit dem nächsten Tritt traf er mich in die Rippen. Der Schmerz durchzuckte mich wie ein Blitzschlag, aber ich registrierte ihn gar nicht richtig, da er mir einen Sekundenbruchteil später bereits den nächsten Tritt versetzte, so heftig, dass ich mich überschlug. Dreck und Gras blieben an meiner Wange kleben.
    Ich rang nach Luft. Jeremy stand über mir, einen verächtlichen Ausdruck im Gesicht, während ich versuchte, wieder zu Atem zu kommen.
    »Knall ihn ab!«, rief Enid. »Wenn du es nicht kannst, mache ich es selbst!«
    Seine Waffe war auf mich gerichtet, aber es geschah nichts. Er hätte mir so problemlos eine Kugel in den Kopf jagen wie eine Münze in eine Parkuhr werfen können, aber er brachte es einfach nicht über sich.
    Endlich gelangte wieder Luft in meine Lungen, aber ich konnte mich kaum rühren vor Schmerzen. Ich war mir sicher, dass er mir mehrere Rippen gebrochen hatte.
    Clayton musterte mich mit traurigem Blick. Es war, als könnte ich seine Gedanken lesen. Wir haben alles versucht, schien er sagen zu wollen. Mehr war einfach nicht drin. Wir haben unser Bestes gegeben.
    Die Straße zur Hölle war schon immer mit guten Vorsätzen gepflastert.
    Ich rollte mich auf den Bauch und erhob mich ächzend auf die Knie. Jeremy erspähte meine Waffe imGras, hob sie auf und steckte sie in seinen Gürtel. »Los, hoch mit dir«, sagte er.
    »Hast du mich nicht gehört?«, keifte Enid. »Leg ihn endlich um!«
    »Mom«, sagte er. »Vielleicht ist es besser, wir verfrachten ihn in den Wagen. Zu den anderen.«
    Sie überlegte kurz. »Nein«, sagte sie dann. »Die beiden anderen ertränken wir. Ihn erledigen wir woanders.«
    Clayton tastete sich Schritt für Schritt den Wagen entlang. Er sah aus, als würde er jeden Moment zusammenklappen.
    »Ich … Ich glaube, ich werde ohnmächtig«, sagte er.
    »Du verdammter alter Narr!«, schrie Enid. »Wärst du doch im Krankenhaus verreckt!« Durch das Seitenfenster konnte ich die Griffe ihres Rollstuhls erkennen.
    Jeremys Blick irrte zwischen mir und seinem Vater hin und her. Er war sichtlich unschlüssig, was er unternehmen sollte.
    »Rühren Sie sich nicht vom Fleck«, sagte er dann und zielte mit der Waffe auf mich, während er zu dem Impala hinüberging. Da der hintere Sitz durch den Rollstuhl blockiert war, öffnete er die Fahrertür für seinen Vater.
    »Setz dich hier rein«, sagte Jeremy, ohne mich auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Clayton schlurfte zu ihm und ließ sich schwerfällig auf den Fahrersitz fallen.
    »Ich brauche Wasser«, sagte er.
    »Hör auf zu jammern!«, fuhr Enid ihn an. »Verdammt noch mal, ich kann’s nicht mehr hören!«
    Ich rappelte mich mühsam auf. Drei, vier Schritte, und ich war bei Cynthias Auto. Sie saß hinter demSteuer, Grace auf dem Beifahrersitz. Aus meiner Position konnte ich es nicht richtig erkennen, aber offenbar waren sie gefesselt.
    »Schatz«, sagte ich.
    Cynthias Augen waren blutunterlaufen, ihre Wangen tränenverschmiert. Grace schluchzte leise.
    »Er hat gesagt, er wäre Todd«, stieß Cynthia hervor.
    »Aber er ist es gar nicht.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Aber das da ist dein Vater.«
    Cynthia sah kurz zu Clayton hinüber und wandte sich wieder zu mir.
    »Nein«, sagte sie. »Er sieht vielleicht so aus, aber dieser
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