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Ohne Beweis (German Edition)

Ohne Beweis (German Edition)

Titel: Ohne Beweis (German Edition)
Autoren: Petra Mehnert
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gewesen und niemand hatte sich weiter darum gekümmert.  
    Morgen früh würde ich mit dem einzigen Foto, das ich von meinem Vater hatte, zu diesem Hof gehen und mich erkundigen, ob jemand ihn wiedererkennen würde.  
    Plötzlich stand die hübsche junge Rothaarige neben mir und hielt mir einen dampfenden Becher Kaffee unter die Nase. 
    „Sie sehen aus, als könnten Sie einen starken Kaffee vertragen“, sagte sie und obwohl ich nicht jedes Wort verstand (mein Deutsch war wirklich mehr als dürftig), nahm ich ihr den Becher doch dankbar ab. Mein Boss war zum Glück gerade nicht in der Nähe und so traute ich mich, den rettenden Kaffee anzunehmen. Ich war wirklich hundemüde und konnte meine Augen kaum noch offen halten. Doch noch lagen mehr als vier Stunden Arbeit vor mir. Wie sollte ich das nur durchhalten? Würde mich der Kaffee wenigstens über die nächsten Stunden bringen?  
    „Danke“, sagte ich und lächelte die junge Frau an. Diese nahm wohl an, dass ich doch ganz gut deutsch sprechen konnte und redete munter weiter. 
    „Das sieht wirklich toll aus! Mein Vater ist im Gemeinderat und die hatten ein bisschen Bammel vor diesem Grauwacke-Belag, ob der auch wirklich gut verlegt wird. Er soll ja für Menschen mit Rollator und Kinderwagen geeignet sein. Aber Sie und Ihre Kollegen machen das ausgesprochen professionell. Meine Bekannte, Frau Carmen Lechner, kennen Sie ja schon.“ 
    „Entschuldigen, aber ich nix viel verstehen die Deutsche“, murmelte ich kleinlaut, denn ich hatte nur das Wort „Grauwacke“ herausgehört, denn dieser Begriff war mir bekannt und die Wörter „Frau“ und „Carmen“ kannte ich auch. Wollte die junge Dame mich über die Grauhaarige ausfragen, die immer hier gesessen und mit der ich mich ein bisschen angefreundet hatte? Seit dem einen Abend nach dem Aufbauen der Regale hatten wir uns nicht mehr gesehen. Irgendwie schien sie mir aus dem Weg zu gehen. Erklären konnte ich es mir nicht, denn eigentlich hatte ich sie so verstanden, dass sie mir bei der Suche nach meinem Vater helfen wollte. Oder hatte ich das falsch verstanden? Hatte ich sonst etwas falsch gemacht? Oder lag es doch daran, dass ich Ausländer und in ihren Augen ein armer Schlucker war? 
    „Oh, Entschuldigung“, sagte mein Gegenüber. „Ich dachte, sie sprechen unsere Sprache gut. Na dann … Sie kennen Frau mit Büchern?“, versuchte sie es nochmals.  
    „Oh, ja. Ich kennen von sehen. Du kennen gut?“, wollte ich wissen, denn vielleicht konnte ich von dieser jungen Frau etwas über die Grauhaarige erfahren.  
    „Ja, ist eine Freundin von mir. Sie arbeitet in Bücherei, aber sie ist weg … Urlaub machen“, erklärte sie mir und es gefiel mir, wie sie versuchte, ihre Worte so einfach wie möglich zu wählen. Das Wort Urlaub kannte ich zwar nicht, aber wenn sie weg war, konnte es vielleicht bedeuten, dass sie Ferien hatte. Dennoch hatte sie bei diesem Wort ein trauriges Gesicht gemacht und das verwirrte mich dann doch etwas. War es nicht schön, Urlaub zu machen?  
    „Wohin gefahren?“, fragte ich, doch sie schüttelte nur den Kopf und zuckte mit den Schultern.  
    „Wie du heißen?“, wollte ich dann nochmals wissen, denn ich hatte mir ihren Namen nicht gemerkt.  
    „Nora Angerer. Aber du weiterarbeiten … dein Boss kommt. Auf Wiedersehen!“, rief die freundliche Nora und rauschte davon. Sie wollte wohl nicht, dass ich Ärger mit meinem Chef bekam. Ich auch nicht, und so stürzte ich den leider immer noch heißen Kaffee in einem Zug hinunter und steckte den Pappbecher schnell in meinen Hosenbund. Der Polsinsky hatte zum Glück nichts bemerkt und da der Kaffee mich wirklich nochmal aufgeputscht hatte, schaffte ich es, den Rest des Tages zu überstehen und sauber zu arbeiten.  
    Todmüde fiel ich dann um halb zehn ins Bett und träumte von grau- und rothaarigen Schönheiten, die gemeinsam mit meinem Vater Kartoffeln ernteten und frisches Heu mit hölzernen Gabeln auf einen Heuwagen luden. Dabei sangen sie fröhliche polnische Lieder, die Sonne schien vom weiß-blauen Himmel. Doch dann zogen in der Ferne dunkle Gewitterwolken auf, die schnell näher kamen und meinen Vater in sich aufsaugten und mitnahmen. Schweißgebadet wachte ich in den frühen Morgenstunden auf. Die Sonne kam langsam hinter den Hügeln hervor und ich hatte noch knapp eine Stunde Zeit, zu dem Hof zu laufen und dort mein Bild zu zeigen.  


     
    „Ich glaube, ich werde auf den Mühlenhof gehen und den Bauersleuten mal
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