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Ohne Beweis (German Edition)

Ohne Beweis (German Edition)

Titel: Ohne Beweis (German Edition)
Autoren: Petra Mehnert
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geben. Aber irgendwie kann ich nicht glauben, dass hinter der ganzen Geschichte ein Mann stecken soll. Ich dachte immer, ich ende als alte Jungfer, denn bisher hatte ich in meinen fünfzig Jahren noch keine Beziehung und meine Schwester hatte seit dem Tod ihres Mannes auch keinen Freund mehr. Und jetzt so spät nochmal damit anfangen? Also … ich weiß nicht“, sagte Carolin, konnte natürlich aber nur für sich selbst sprechen. Sie war glücklich und zufrieden, freute sich an ihrer Nichte Viola und ihrem Neffen Fridolin und darüber, dass sie im Haus ihrer Schwester wohnen durfte. Eigentlich waren die Zwillingsschwestern die Eltern von Viola und Fridolin.  
    „Wissen Carmens Kinder eigentlich schon vom Verschwinden ihrer Mutter?“, fragte Nora, die daran bisher noch gar keinen Gedanken verschwendet hatte.  
    „Nein, noch nicht. Ich hab den Brief doch vorhin erst bekommen. Die zwei werden auch geschockt sein. Viola ist jetzt sechzehn und Fridolin dreizehn, aber sie werden sicher nicht verstehen, warum ihre Mutter einfach abgehauen ist. Ganz so tragisch ist es natürlich nicht, denn sie haben ja immer noch mich und sind also nicht ganz alleine. Sie haben heute Nachmittag noch Schule und kommen erst um halb sechs nach Hause. Ich werde versuchen, es ihnen so schonend wie möglich beizubringen. Wir sollten hier jetzt Schluss machen, Nora. Ich kann mich sowieso auf nichts mehr konzentrieren.“ 
    „In Ordnung. Ich mach nur noch schnell einen Kaffee und bringe ihn Kamil. Ich hab vorhin gesehen, dass dem schier die Augen zufallen. Die müssen aber auch wirklich sehr schwer schuften für unsere schöne neue Ortsmitte“, verkündete die hilfsbereite Nora und Carolin lächelte der jungen Dame nach. Diese Nora war schon schwer in Ordnung.  


     
    „Warum kommt sie nicht mehr?“, flüsterte ich und sah mich sicher schon zum hundertsten Mal nach der schönen Grauhaarigen um. Natürlich passte ich auf, dass mein Boss mich nicht dabei erwischte, ich wollte nicht nochmal eine Rüge bekommen. Dieser Job hier war zwar hart, aber ich brauchte ihn dringend. Natürlich in erster Linie wegen des Geldes, aber auch wegen der Zeit, die ich hier verbringen konnte. Denn ich war auf der Suche – auf der Suche nach meinem Vater, den ich nie kennengelernt hatte. Meine Mutter war vor ein paar Monaten gestorben und in ihrem Nachlass fand ich ihr Tagebuch, in dem stand, dass mein Vater 1955 als polnischer Erntehelfer nach Süddeutschland gegangen und nicht wieder nach Hause zurück gekommen war. Meine Mutter war damals mit mir schwanger und musste mich dann alleine großziehen. Männer gab es dennoch sehr viele in ihrem Leben, doch keinen hatte sie näher an sich herangelassen. Bis auf einen, aber an den wollte ich nicht denken – ihn hatte ich soweit es ging in meiner Erinnerung nach hinten verdrängt – in der Hoffnung, dass er dort auch für immer bleiben möge. 
    Und nun war ich hier in diesem kleinen Kaff Ottenbach, wohin mich meine Recherchen geführt hatten. Hier irgendwo auf einem dieser über vierzig Bauernhöfe musste mein Vater gearbeitet haben. Um das herauszufinden, war ich hier.  
    „Rodzinsky!“, schrie mich der Vorarbeiter an. „Dieser Quader hier ist kaputt, den kannst du doch nicht einbauen!“ 
    „Sorry, Boss. Ich aufpasse“, beeilte ich mich zu versichern und zwang mich dazu, während der Arbeit nicht mehr an meinen Vater zu denken. Ich durfte mich davon nicht ablenken lassen, denn eigentlich war ich, Kamil Rodzinsky aus Danzig, einer der besten Pflasterer, den diese Baufirma je hatte. Ich musste mich also voll und ganz auf meine Arbeit konzentrieren und durfte erst am Feierabend an die schöne Frau und meinen Vater denken. Doch das Ende des Arbeitstages war noch weit, denn wir durften erst aufhören, wenn es dunkel wurde. Wir wohnten in einem Container auf der Baustelle und mussten morgens sehr zeitig wieder anfangen. Mir blieb also nur die Nacht, um mit meinen Recherchen voranzukommen und so hatte ich in den letzten Tagen fast nicht geschlafen. Ich hatte mich in der einzigen Kneipe im Ort umgehört, in der Pizzeria und im Landgasthof „Im Buchs“, wo abends viele Sportler beisammensaßen. Gestern hatte ich von einem Gast endlich den entscheidenden Hinweis bekommen, dass ein polnischer Erntehelfer 1955 auf einem Hof weit außerhalb des Ortes gearbeitet, dann aber plötzlich verschwunden war. Doch über seinen Verbleib konnte niemand etwas sagen. Er war einfach von einem Tag auf den anderen weg
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