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Offenbarung

Offenbarung

Titel: Offenbarung
Autoren: Alastair Reynolds
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anderen interstellaren Raumschiffe irgendwo
eingetragen, nebst einigen knappen Anmerkungen zum Typ seiner Sonne,
den wichtigsten Eigenschaften seiner Welten, zu erwartenden Risiken
und so weiter. Aber diese Datenbanken waren nicht für
menschliche Augen bestimmt; sie wurden lediglich von anderen
Maschinen abgefragt und aktualisiert, die lautlos und schnell alle
für die Menschen zu langweiligen oder zu schwierigen
Schiffsaufgaben erledigten. Der Eintrag bestand nur aus einer Kette
von Binärzahlen, ein paar tausend Einsen und Nullen. Er war in
der gesamten Fluggeschichte der Gnostischen Himmelfahrt nicht
mehr als dreimal aufgerufen und ein einziges Mal aktualisiert worden,
schon daran zeigte sich, wie unbedeutend das System war.
    Grelier wusste das. Er hatte nachgesehen, aus reiner Neugier.
    Und nun gab es vielleicht zum ersten Mal überhaupt jemanden,
der sich nicht nur flüchtig für das System interessierte.
Einen Namen hatte es zwar immer noch nicht, aber das wurde inzwischen
immerhin als so störend empfunden, dass Königin Jasminas
Stimme jedes Mal etwas gereizter klang, wenn sie sich gezwungen sah,
von ›dem System vor uns‹ oder ›dem System, auf das wir
zufliegen‹ zu sprechen. Dennoch würde sie sich nicht
herbeilassen, einen Namen zu vergeben, bevor sich das Ziel als
lohnend herausgestellt hätte. Und die Entscheidung darüber
lag ausschließlich in den Händen von Quaiche, dessen Stern
als Favorit der Königin im Sinken begriffen war.
    Grelier blieb vor einem der Vivifikationstanks stehen. Hinter der
grünen Glaswand schwebte, gestützt von durchsichtigem
Polstergel, ein Körper. Am Tanksockel reihten sich
Nährstoffventile wie Orgelregister aneinander, einige waren
hineingeschoben, andere herausgezogen. Mit diesen Schiebern wurde die
empfindliche biochemische Umgebung der Nährstoffmatrix
gesteuert. Seitlich angebrachte Ventilräder aus Bronze
regulierten die Zufuhr von Massenchemikalien wie Wasser oder
Salzlösung.
    Am Tank hing das Protokoll der Klongeschichte des Körpers.
Grelier blätterte die laminierten Seiten durch und
überzeugte sich, dass alles in Ordnung war. Die meisten
Körper in der Anlage waren nie dekantiert worden, aber dieses
Exemplar – erwachsen und weiblich – hatte man bereits
einmal aufgewärmt und verwendet. Dank der Regenerationsverfahren
waren die Verletzungen, die man ihm dabei zugefügt hatte,
bereits am Verschwinden, die Wunden im Bauchbereich verheilten glatt,
und das neue Bein war nur noch wenig kürzer als sein heil
gebliebenes Gegenstück. Jasmina hielt nicht viel von
zusammengeflickten Körpern, aber ihr Verbrauch war inzwischen so
hoch, dass die Anlage mit der Produktion nicht mehr nachkam.
    Grelier strich liebevoll über das Glas. »Sehr
schön. Weiter so.«
    Auch bei den anderen Körpern führte der Generalmedikus
stichprobenartige Kontrollen durch. Manchmal genügte ihm ein
Blick, doch meistens blätterte er das Protokoll durch und nahm
kleinere Korrekturen an den Einstellungen vor. Er war sehr stolz
darauf, seine Arbeit mit der Ruhe des Fachmanns zu erledigen. Er
prahlte nie mit seinen Fähigkeiten, und er machte keine Zusagen,
wenn er nicht ganz sicher war, dass er sie auch einhalten konnte
– ganz anders als Quaiche, der das Blaue vom Himmel versprach,
seit er die Gnostische Himmelfahrt betreten hatte.
    Zunächst hatte er damit auch Erfolge erzielt. Grelier, seit
langem der engste Vertraute der Königin, hatte erleben
müssen, wie ihm dieser Windbeutel gleich nach seiner Ankunft den
Rang ablief. Wenn er sie in Arbeit hatte, schwärmte sie nur noch
davon, wie Quaiche ihrer aller Schicksal verändern würde:
Quaiche hin und Quaiche her. Sie hatte sogar angefangen, Greliers
Leistungen zu bemängeln – der Ausstoß an neuen
Körpern sei zu langsam, und die Wirksamkeit der Behandlung gegen
das Aufmerksamkeitsdefizit lasse zusehends nach. Grelier hatte
bereits überlegt, irgendeine wahrhaft spektakuläre Tat zu
begehen, um sie auf sich aufmerksam zu machen und sich ihre Gunst
zurückzuerobern.
    Jetzt war er froh, dass er dieser Versuchung widerstanden hatte.
Er hatte nur etwas Geduld gebraucht. Quaiche schaufelte sich sein
eigenes Grab, indem er Erwartungen weckte, die er unmöglich
erfüllen konnte. Bedauerlicherweise – für Quaiche,
wenn auch nicht für Grelier – hatte ihn Jasmina
unerbittlich beim Wort genommen. Wenn Grelier die Königin
richtig einschätzte, dann stand der arme alte Quaiche ganz kurz
davor, als Galionsfigur zu enden.
    Grelier kam nun zu
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