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Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Titel: Öffne die Augen: Thriller (German Edition)
Autoren: Franck Thilliez
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Aufzeichnungen haben die paranoiden Verfolgungsängste stark abgenommen. Nur noch ein gewisses Misstrauen, hervorragend. Und Ihre Visionen?«
    » Die treten immer noch sehr häufig auf. Vielleicht liegt es ja daran, dass ich dauernd in meiner Wohnung bin. Es vergeht kein Tag, ohne dass Eugénie mich besuchen kommt. Meist bleibt sie nur ein paar Minuten, aber sie ist wirklich anstrengend. Ich weiß nicht, wie viele Kilo glasierte Maronen ich seit der letzten Sitzung habe kaufen müssen.«
    Als man Sharko den Helm abnahm, zog sich Leclerc in die andere Ecke des Raums zurück.
    » Hatten Sie in letzter Zeit viel Stress?«, fragte der Arzt.
    » Es ist vor allem die Hitze, die mir zu schaffen macht.«
    » Ihr Beruf vereinfacht die Sache nicht. Wir werden die Abstände zwischen den Sitzungen verkürzen. Alle drei Wochen scheint mir ein guter Kompromiss.«
    Nachdem er Sharkos Kopf mit zwei weißen Gurten fixiert hatte, hielt der Neuroanatomiker ein Instrument in Form einer Acht über seinen Schädel– eine Spule, die Magnetimpulse an eine präzise Stelle des Gehirns abgab, wodurch die angepeilten Neuronen wie Minimagnete reagierten und sich neu organisierten. Mittels der transkraniellen Magnetstimulation konnte man die durch Schizophrenie ausgelösten Halluzinationen deutlich verringern, wenn nicht gar ganz auslöschen. Das Schwierigste an der Sache war natürlich, den richtigen Punkt zu treffen, denn die entscheidende Zone war nur wenige Zentimeter groß, und eine Abweichung von einigen Millimetern konnte dazu führen, dass der Patient den Rest seines Lebens miauen oder das Alphabet von hinten aufsagen würde.
    Eine Schutzbrille vor den Augen, saß Sharko reglos da, er war ganz darauf konzentriert, sich nicht zu rühren. Jetzt war nichts anderes zu hören als das Knistern der kleinen Magnetimpulse, die mit einer Frequenz von einem Hertz abgeschickt wurden. Sharko spürte weder Schmerzen noch ein unangenehmes Gefühl, dachte aber mit Sorge daran, dass man ihn vor zehn Jahren vermutlich noch mit Elektroschocks zu heilen versucht hätte.
    Die Sitzung verlief ohne Zwischenfälle. Nach eintausendzweihundert Impulsen erhob sich Sharko mit leicht verspannten Muskeln. Er zupfte sein Hemd zurecht und strich sich mit der Hand durch das grau melierte kurze Haar. Er schwitzte. Die drückende Luft und sein leichtes Übergewicht, das auf die Einnahme von Zyprexa, einem Neuroleptikum, zurückzuführen war, machten die Sache nicht leichter. Und in diesem heißen Monat Juli vermochte auch die Klimaanlage die tropischen Außentemperaturen nicht auszugleichen.
    Er notierte seinen nächsten Termin, bedankte sich bei seinem Psychiater und verließ den Raum.
    An der Kaffeemaschine am Ende des Korridors traf er Leclerc.
    Sein Vorgesetzter brauchte jetzt eine Zigarette. Die kurze Zeit, die er der Behandlung beigewohnt hatte, hatte ihn erschöpft.
    » Beängstigend, sie so mit deinem Gehirn spielen zu sehen.«
    » Reine Routine, genau so, als würde man beim Friseur unter der Haube sitzen, um sich eine Dauerwelle machen zu lassen.«
    Sharko lächelte und führte den Becher zum Mund.
    » Schieß los, erzähl mir von deinem Fall.«
    Die beiden Männer gingen langsam nebeneinanderher.
    » Fünf Leichen in zwei Meter Tiefe verscharrt, kein schöner Anblick. Nach ersten Untersuchungen sind vier von ihnen von Würmern zerfressen, der fünfte Tote ist noch in relativ gutem Zustand. Allen fehlt der obere Teil des Schädels, so als wäre er abgesägt worden.«
    » Welche Vermutung haben sie vor Ort?«
    » Was glaubst du? Wir sind in einer Provinzstadt, wo das größte Vergehen vermutlich darin besteht, dass jemand seinen Müll nicht trennt. Die Leichen liegen sicher schon Wochen, wenn nicht gar Monate dort. Sie sitzen ganz schön in der Klemme, die Ermittlungen werden nicht einfach werden. Ein psychologischer Ansatz könnte hilfreich sein. Du arbeitest wie immer, nicht mehr und nicht weniger. Du sammelst Informationen, triffst die wichtigen Leute, und dann machen wir auf dem Hauptkommissariat in Nanterre weiter. Das Ganze dauert zwei, höchstens drei Tage. Danach kannst du mit deiner Modelleisenbahn spielen oder tun, was immer du willst. Und ich ebenfalls. Die Sache sollte sich nicht in die Länge ziehen. Ich will verschwinden.«
    » Fährst du mit Kathia in Urlaub?«
    Leclerc nagte an der Unterlippe.
    » Ich weiß noch nicht. Das hängt davon ab.«
    » Von was?«
    » Von einer Menge Faktoren, die nur mich etwas angehen.«
    Sharko hakte nicht weiter nach.
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