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Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Öffne die Augen: Thriller (German Edition)

Titel: Öffne die Augen: Thriller (German Edition)
Autoren: Franck Thilliez
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Krankenkasse und wegen der verschiedenen Abonnements– Meetic, Internet, Kabel, Satellit– konnte er monatlich nur geringe Rücklagen bilden. Also musste er sich entscheiden.
    Er ging zu der Leiter. Luc Szpilman erklärte warnend:
    » Vorsicht. Mein Vater ist runtergefallen und hat sich den Kopf aufgeschlagen. Also wirklich, mit zweiundachtzig da noch hinaufzuklettern…«
    Ludovic zögerte kurz, entschied sich dann aber doch hinaufzusteigen. Er dachte an den alten Mann, den die Faszination für seine Filme das Leben gekostet hatte. Oben angekommen, setzte er seine Auswahl fort. Hinter The Kremlin Letter – Der Brief an den Kreml – befand sich auf einem verborgenen Brett eine schwarze Schachtel ohne Aufschrift. Ludovic balancierte auf einem Bein und zog sie zu sich heran. In der Schachtel befand sich allem Anschein nach ein Kurzfilm. Nach der Größe der Rolle zu urteilen, höchstens zehn, zwanzig Minuten lang. Wahrscheinlich ein Einzelstück, das der Besitzer nie hatte identifizieren können. Ludovic nahm die Dose und legte sie auf die neun Kultfilme, die er bereits ausgewählt hatte. Diese anonymen Werke waren immer besonders spannend zu sichten.
    Als er sich umwandte, gab er sich gelassen, innerlich aber bebte er.
    » Die meisten Filme sind leider nicht viel wert. Absoluter Standard. Außerdem… Haben Sie diesen Geruch bemerkt?«
    » Welchen Geruch?«
    » Essig, das Zelluloid ist vom sogenannten Essigsyndrom befallen, das heißt, die Filme sind bald ruiniert.«
    Der junge Mann trat näher und schnupperte.
    » Sind Sie sicher?«
    » Ganz sicher. Ich will Ihnen das Zeug gerne abnehmen. Für fünfunddreißig Euro das Stück, okay?«
    » Fünfzig.«
    » Vierzig.«
    » Na gut…«
    Ludovic stellte einen Scheck über vierhundert Euro aus. Als er das Haus verließ, suchte ein Wagen mit französischem Kennzeichen einen Parkplatz.
    Bestimmt schon der nächste Käufer.
    Ludovic verließ seine private Projektionskabine und nahm, seine Bierflasche in der Hand, allein auf einem der zwölf Skaisitze Platz, die er bei der Schließung des benachbarten Kinos Rex erstanden hatte. Er hatte sich im Untergeschoss seines Hauses einen authentischen Vorführraum eingerichtet, den er als sein » Taschenkino« bezeichnete. Klappsitze, eine Estrade. Eine Leinwand aus beschichtetem Glasfasergewebe, ein Heurtier-Trifilm-Projektor– alles komplett. Mit zweiundvierzig Jahren fehlte ihm nur die Freundin, um deren Schultern er bei der Originalversion des Films Vom Winde verweht den Arm hätte legen können. Doch bislang hatten ihm diese verdammten Dating-Websites nur Kurzepisoden oder Reinfälle beschert.
    Es war fast drei Uhr morgens. Übersättigt von Kriegs- und Spionagefilmen, beschloss er, seine endlose Sichtung mit dem unbekannten Kurzfilm abzuschließen, der ungewöhnlich gut erhalten schien. Offenbar handelte es sich um eine Kopie. Diese namenlosen Streifen waren oft Schätze oder, mit etwas Glück, sogar verlorene Werke großer Meister: Méliès, Welles, Chaplin. Als Sammler träumte er gerne. Während Ludovic das Vorlaufband des anonymen Films abrollte, um ihn einzufädeln, las er auf dem Band » fünfzig Bilder pro Sekunde«. Das war recht selten, die Norm waren vierundzwanzig Bilder – eine Geschwindigkeit, die bei Weitem ausreichte, um den Eindruck von Bewegung zu erzeugen. Dennoch stellte er den Verschluss seines Projektors auf die angegebene Ratio. Schließlich wollte er den Film nicht in Zeitlupe sehen.
    Schnell erschien auf der Leinwand ein diffuses dunkles Bild. Kein Vorspann. In der oberen rechten Ecke ein weißer Kreis. Zunächst fragte sich Ludovic, ob es sich um einen Materialfehler handelte– bei alten Streifen keine Seltenheit. Der Film begann.
    Ludovic stolperte, als er ins Erdgeschoss hinauflief.
    Obwohl alle Lichter brannten, sah er nichts mehr.
    Er war blind.

Kapitel 2
    Ein schrilles Klingeln riss Lucie Henebelle aus dem Schlaf. Sie sprang aus ihrem Sessel und griff nach dem Handy.
    » Hallo?«
    Ihre Stimme klang verschlafen. Lucie warf einen Blick auf die Wanduhr– 4:28. Gegenüber schlummerte ihre Tochter Juliette, eine Glukose-Infusion im Unterarm, tief und fest.
    Am anderen Ende der Leitung eine bebende Stimme.
    » Hallo? Wer ist da?«
    Erschöpft warf Lucie ihr langes blondes Haar zurück. Das war nicht der geeignete Augenblick für Scherze, sie war eben erst eingeschlafen.
    » Sie sollten mir lieber sagen, wer Sie sind. Wissen Sie, wie spät es ist?«
    » Ludovic, hier ist Ludovic Sénéchal… ist
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