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Öffne deine Seele (German Edition)

Öffne deine Seele (German Edition)

Titel: Öffne deine Seele (German Edition)
Autoren: Stephan M. Rother
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eins
Feeling unknown
and you’re all alone.
Flesh and bone
by the telephone.
Depeche Mode – Personal Jesus

eins – Montag, 24. Juni
    E s ist ein seltsames Gefühl, zuzusehen, wie das eigene Leben ganz langsam in Stücke bricht.
    Allerdings wird es noch wesentlich widerlicher, wenn man weiß, dass noch andere Leute dabei zusehen.
    Eine ganze Menge anderer Leute.
    Wenn ich mich an diesen Sommer erinnere, ist es ständig heiß. Seit April hatte es kaum geregnet, doch gleichzeitig hing eine drückende Schwüle in der Luft.
    Auf dem Revier gehören wir regelmäßig zu den Ersten, die mitkriegen, wenn eine Hitzewelle anrollt.
    Die Leute verändern sich. Das schöne Wetter steigt ihnen zu Kopf. Ich habe Statistiken gesehen, aus denen sich das bei den Verkehrsdelikten ganz klar ablesen lässt.
    Aber Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung gehören nicht zu den Taten, die wir auf dem Revier auf den Tisch bekommen. Damit das PK Königstraße in Aktion tritt, muss schon einiges mehr passieren.
    Hätten wir damals, Mitte Juni, ahnen können, dass es längst im Gange war?
    Im Rückblick glaube ich mich an eine seltsame Stimmung zu erinnern, eine Anspannung, als ob irgendwo weit hinter dem Horizont ein Gewitter aufzieht.
    Kein Wetterleuchten. Kein fernes Donnergrollen.
    Doch man spürt, dass etwas geschehen wird.
    Bald, sehr bald schon.
    ***
    Mitternacht.
    Eine tiefe Ruhe ergriff von Kriminalhauptkommissar Jörg Albrecht Besitz.
    Sechs Monate konnten eine lange Zeit sein.
    Nein, sechs Monate waren eine lange Zeit.
    Doch seit sieben Sekunden war Montag, der vierundzwanzigste Juni, und Jörg Albrecht war wieder offiziell mit der Leitung des Polizeikommissariats Königstraße betraut.
    Er stützte die Ellenbogen auf den Schreibtisch und betrachtete den Sommeranzug, der für den Morgen über einem Bügel hing.
    Er war kein Mensch, der sich auf die Arbeit freute.
    Freude wäre einem Eingeständnis gleichgekommen, dass in seinem Leben ansonsten nichts mehr existierte, dem er mit einem Gefühl der … nun, der Freude, entgegensehen konnte.
    Dabei existierten diese Dinge sehr wohl.
    Am nächsten Wochenende würden Clara und Swantje bei ihm sein, und er freute sich sehr darauf, diese Tage mit seinen Töchtern verbringen zu dürfen. Ihm fehlte lediglich noch eine Idee, was er achtundvierzig Stunden lang mit den Mädchen anstellen sollte, ohne sie zwischendurch vor dem Fernseher zu parken, wie das zweifellos tagtäglich in Ohlstedt geschah.
    Oder waren sie mit acht und fast vierzehn Jahren aus dem Alter heraus, in dem sie sich irgendwo parken ließen?
    Sie haben ihr eigenes Leben, dachte er.
    Die Melancholie kam gänzlich unerwünscht in diesem Moment.
    Natürlich hatten sie ihr eigenes Leben, seit Jahren schon, mit Joanna und ihrem Zahnklempner. Mit Dr. Hannes Jork, der alles hatte, was Jörg Albrecht nicht hatte – oder nicht mehr hatte. Das Reetdachhaus in Ohlstedt. «Und eine Familie», murmelte Albrecht. «Meine Familie.»
    Er griff nach einem Kugelschreiber und drehte ihn einen Moment zwischen den Fingern, legte ihn dann an Ort und Stelle zurück.
    Er war sich sicher, dass die Mädchen die Zeit mit ihm mittlerweile als eine Art Urlaub betrachteten. Als ganz willkommene Abwechslung, mit all den ungewöhnlichen Extras, die es im Urlaub eben gab und die man sonst nicht bekam. Die kleinen Einschränkungen nahm man dafür in Kauf. Die Freunde waren nicht da. Der Fernseher auch nicht.
    Dieses kleine blinkende Etwas dagegen hatte Clara ja neuerdings immer dabei. Dieses Ding, das ein Computer war, eine Musicbox und ein Fotoapparat und irgendwie wohl auch ein Telefon.
    Doch das änderte nichts daran, dass die Zeit mit ihrem Vater für die beiden eine Ausnahme darstellte und gerade kein Bestandteil ihres Lebens war, wie es normalerweise aussah.
    Was sein eigenes Leben anbetraf: Es war nicht so, dass er die Stunden bis zum vierundzwanzigsten Juni gezählt hatte. Albrecht hatte immer gewusst, dass der Radiowecker, den die Mädchen ihm aus unerfindlichen Gründen zum vorletzten Weihnachtsfest geschenkt hatten, noch einmal einen sinnvollen Zweck erfüllen würde. Die Countdown-Funktion, eingestellt auf den 24. 6., 0 Uhr 00, hatte ihm eine Menge Rechnerei erspart.
    Und damit eine Menge Zeit. Schließlich hatte der Hauptkommissar keinerlei Probleme gehabt, seine plötzlich so überreichlich vorhandene Freizeit sinnvoll auszufüllen. Tagtäglich hatte er ausgiebige Spaziergänge unternommen, und wenn diese ihn regelmäßig zur
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