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Öffne deine Seele (German Edition)

Öffne deine Seele (German Edition)

Titel: Öffne deine Seele (German Edition)
Autoren: Stephan M. Rother
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konnte – oder eben an den Dahliengarten.
    Ein uniformierter Kollege hob grüßend die Hand, als wir ausstiegen. Sein Gesicht sagte mir nichts im Moment.
    «Kempowski und Berger sind schon im Garten», informierte er uns und nickte über die Schulter.
    Ich murmelte ein Danke und fragte mich, wie der Mann mich auf Anhieb identifiziert hatte. Schließlich waren wir in Zivilkleidung aus einem Zivilfahrzeug gestiegen.
    Andererseits war ich mit Nils Lehmann unterwegs, dessen Hähnchenkammfrisur bei der Hamburger Polizei einzigartig war.
    Natürlich waren Gaffer da, doch sie waren nicht mehr als schattenhafte Gestalten, ein Stück die Straße runter. Vermutlich hatte es schon einen Zusammenstoß mit unseren Kollegen gegeben.
    Wir schlugen die entgegengesetzte Richtung ein, weg von der Straße.
    Dichtes Laub, dazwischen ein gepflasterter Weg in die Botanik, der sich nach ein paar Metern gabelte. Schräg rechts ging es in die Parkanlage.
    Ich versuchte mich zu erinnern, wann ich das letzte Mal hier gewesen war. Letztes Jahr? Vorletztes? Jedenfalls zusammen mit Dennis – und natürlich tagsüber. Nachts war die Anlage geschlossen, genau wie im Winterhalbjahr. Mir fiel jetzt ein, wie ich staunend vor einer Schautafel stehen geblieben war: All diese zigtausend Pflanzen wurden jeden Herbst ausgegraben, um sie im Frühjahr neu zu setzen.
    Unglaublich. Doch vor allem …
    Es war eine merkwürdige Stimmung.
    Ich bin mir bis heute nicht ganz sicher, woran das liegt, aber Tatorte haben eine ganz eigene Atmosphäre. Mit Sicherheit spielt es eine Rolle, dass wir in aller Regel schon wissen, dass es sich um einen Tatort handelt, wenn wir eintreffen. Wir werden in den seltensten Fällen direkt alarmiert, sodass meist schon Streifenbeamte vor Ort sind, das Gelände gesichert haben und Personalien von Zeugen aufnehmen.
    Da fährt man locker durch Straßen, die man schon tausend Mal gefahren ist, und doch ist alles anders. Man weiß, dass am Ende der Körper eines toten Menschen wartet.
    Und das ist nichts, an das man sich irgendwann gewöhnt.
    Ich zumindest hoffe, dass ich mich niemals daran gewöhnen werde. Sollte es tatsächlich einmal so weit kommen … Ich biss die Zähne zusammen, als ich an etwas denken musste, das Hinnerk Hansen einmal gesagt hatte, der älteste unserer Kollegen auf dem Revier:
    Es gibt nur wenige Polizisten, die dazu geschaffen sind, diesen Job ihr ganzes Leben lang zu machen. Das wirklich Üble ist, dass die anderen es trotzdem versuchen.
    Ob ich den richtigen Moment erkennen würde, wenn es bei mir so weit war, die Segel zu streichen?
    «Hannah?»
    Nils Lehmann war mir zehn Meter voraus und stand schon am Eingang der großen Freifläche.
    Die Atmosphäre war unglaublich. Die drückende Wärme des Sommertages, die noch kaum nachgelassen hatte. Einzelne Inseln aus Licht zwischen den Beeten und Rabatten – die Kollegen mussten jemanden überredet haben, die Laternen wieder einzuschalten. Doch direkt hinter der Anlage begann der wildere Teil des Volksparks, eine hügelige, zum Teil geradezu zerklüftete Fläche bis zur Autobahn. Der größte Teil des Volksparks ist eigentlich kein Park, sondern ein regelrechter Wald mitten in der Stadt, und jetzt lag er in einer solchen Dunkelheit, dass es mir den Atem verschlug. Eine Dunkelheit, die so tief war, dass ich das Gefühl hatte, sie mit Händen greifen zu können.
    Und über allem der Duft – wobei es nicht der Duft der zigtausend Dahlien war. Dahlien duften nicht. Es war etwas anderes, vielleicht doch mehr ein Gefühl als ein Duft im eigentlichen Sinne. Intensiv und dunkel.
    «Wow», murmelte Lehmann.
    Ich nickte stumm. Eindrucksvoll, mit oder ohne Leiche.
    Ich kniff die Augen zusammen, als sich quer gegenüber etwas bewegte. Kempowski, schon von weitem zu erkennen an der Art, wie er ging. Donald Duck, dachte ich, in nachtblauer Hamburger Polizeiuniform statt Matrosenanzug.
    «Frau Kommissarin?»
    Im Lichtkegel einer Laterne überzeugte er sich, dass wir es waren. Keine Gaffer.
    «Gut, dass Sie da sind», murmelte er und zupfte nervös an seinem Hemdkragen. Auf seiner Stirn glänzten Schweißperlen. «Kein schöner Anblick, glauben Sie mir. Ja, ich weiß schon. Das sind sie eigentlich nie.»
    Hatte ich das Gesicht verzogen? Ich tauschte einen Blick mit Lehmann.
    «Und wo ist er jetzt?» Unser Jüngster reckte den Hals. «Es ist doch ein Er ? Die Leiche?»
    «Wie? Was?» Kempowski schüttelte den Kopf. «Klar. Doch, natürlich. Er ist …
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