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Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus

Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus

Titel: Odo und Lupus 03 - Pater Diabolus
Autoren: Robert Gordian
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Erbe, das er hinterläßt, obwohl es ihm niemals gehört hat, oder in einem Anspruch, um den er bis zuletzt gestritten hat und an dem seine Söhne hartnäckig festhalten. Wir waren darauf gefaßt, nicht mit offenen Armen empfangen zu werden. Auch deshalb hatten wir es nicht eilig.
    Dennoch wären wir nie in diese üble Geschichte hineingeraten, hätten wir uns nur immer auf der geraden Straße gehalten. Aber Odo, mein Amtsgefährte, war hier schon fast zu Hause (er stammt ja aus Reims), und so gelang es ihm nicht, seine Nase nur einfach geradeaus auf das Ziel zu richten. Er stieß sie mal hierhin, mal dorthin, wobei er seitlich der Straße manches entdeckte, was ihm bekannt vorkam oder woran sich Erinnerungen knüpften: hier einen Hügel, dort eine Brücke, woanders einen halbverfallenen Turm. Ohne uns lange zu fragen, gab er dann Impetus, seinem Grauschimmel, die Sporen, und das edle, feurige Tier ließ sich nur zu gern zu einem kurzen Galopp verführen. Was blieb mir und den Männern unseres Trupps anderes übrig, als am Rande der Straße zu rasten? Oft genug mußte ich nach einer Stunde oder mehr sogar meinen treuen Eselhengst Grisel in Bewegung setzen, um Odo zu suchen und zurückzuholen.
    An diesem Tag nun, die Mittagszeit war schon vorüber, hatte Odo uns mehrmals aufgehalten, und ich konnte nicht anders, als ihm Vorwürfe zu machen. Der Wortwechsel wurde heftig, denn ich hatte meinen Reiseplan entrollt und festgestellt, daß wir diesmal unser Ziel, den nächsten Herrensitz, vor Einbruch der Dunkelheit nicht erreichen würden. Odo ließ sich aber davon nicht beeindrucken. Er richtete sich im Sattel auf, blickte spöttisch auf mich herab, strich seinen prächtigen Schnurrbart und sagte:
    „Fürchtest du wirklich, ängstliche Mönchsseele, du müßtest hier unter freiem Himmel nächtigen? In der Heimat des Odo von Reims? Jedermann wird uns hier Unterkunft bieten, sogar die Füchse in ihrem Bau. Also beruhige dich und folge mir! Ich habe hier in der Gegend einen Vetter, den wollen wir aufsuchen. Er ist ein ausgezeichneter Mann, der zu leben versteht und nach alter fränkischer Sitte die Gastfreundschaft hochhält. Er hat zwei hoffnungsvolle Söhne, auch seine Tochter ist inzwischen kein Kind mehr. Ich würde mich freuen, sie alle wiederzusehen. Dort hinter den Hügeln muß es sein. Also vorwärts!“
    Unsere Leute antworteten mit freudigem Zuruf, und schon waren die Pferde und der Wagen auf einen schmalen Pfad gelenkt, der im spitzen Winkel von der Straße abwich und sich auf eine Kette kleinerer und größerer Erhebungen zuschlängelte. Ich war alles andere als begeistert. Es ist immer unsicher und gefährlich, die Straße zu verlassen und sich Wegen anzuvertrauen, von denen man nicht genau weiß, wo sie enden. Mir war diese Gegend fast unbekannt, und auch Odos Ortskenntnis war eher zu mißtrauen. Er behauptete zwar, auf der gallischen Seite des Rheins bis zur Loire hinunter jedes Steinchen zu kennen, doch war es allzu lange her, wohl fast zwanzig Jahre, daß er den elterlichen Salhof {3} verlassen hatte, um sich als Königsvasall in der Welt umzutun. Auch von den vielen Verwandten, die er hier angeblich hatte, war uns bisher noch keiner zu Gesicht gekommen. Natürlich hätte ich den Umweg verweigern können. Odo und ich sind ja ranggleich, und keiner von uns darf etwas gegen den Willen des anderen entscheiden. Aber in Anbetracht unserer Verspätung konnte ich ja nichts Besseres vorschlagen. So rollte ich mein Itinerar mürrisch zusammen und folgte dem Trupp, der sich nicht um mich gekümmert hatte und schon ein tüchtiges Stück voraus war.
    Meine Ahnung sollte sich leider bestätigen. Am Fuße des ersten Hügels verlor sich der Pfad schon im Sand. Ein schmales Rinnsal von Bach floß den Hang herab, und nach sichtlichem Zögern behauptete Odo, daß wir ihm nur zu folgen brauchten, um auf die richtige Straße zu kommen. Also machten wir uns an den Aufstieg. Über Steine und Wurzeln ging es hinauf, wir mußten bald absitzen und unsere Reittiere führen. Die alte Stute, die den Wagen zog, blieb jeden Augenblick stehen, weil Hindernisse die Räder blockierten. Dichter Wald bedeckte den Hang und nahm uns den Ausblick. Er lichtete sich erst, als wir die Kuppe des Hügels erreichten. Hier hatte die starke Hand des allmächtigen Bildners dicke Felsplatten über- und untereinander geschoben. Keuchend und schwitzend, meine Kutte weit über die Knie raffend und den Esel hinter mir herzerrend, erklomm ich Stufe um Stufe.
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