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Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache

Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache

Titel: Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache
Autoren: Robert Gordian
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übrig bleiben und gar nichts mehr abbekommen würde. Als ich doch einmal zaghaft einen halben Schritt vortrat und mich bemerkbar machen wollte, gab der Herr Kanzler mir ein Zeichen der Missbilligung, sodass ich mich rasch wieder zwischen die Säulen zurückzog.
    Die Mandatsvergabe erfolgte von Westen nach Osten und so kam die Reihe schließlich an das wilde, gottlose Sachsen, das sich so lange gewunden und immer wieder aufgebäumt hatte wie der Lindwurm gegen die Lanze des heiligen Georg. Wir alle erinnern uns ja daran, wie der König Jahr um Jahr an der Spitze seiner Armee in ihre wüsten Wälder hinein drang. Nun hatte er die Sachsen endlich niedergeworfen. Die meisten wurden getauft, sogar ihr rebellischer Herzog Widukind. Viele sind aber noch immer verstockt, brechen ihre Schwüre, überfallen die fränkischen Grafen, brennen Kirchen nieder, schlagen Priester tot und wollen den Zehnten nicht zahlen.
    So ist es bei ihnen besonders nötig, doch leider auch besonders gefährlich, im Namen Gottes und des Königs für Recht und Ordnung zu sorgen. Wie Du Dir denken kannst, gab es für diese Aufgabe keine Begeisterung. Schon als der Name der Sachsen genannt wurde, bekreuzigten sich viele in der Halle. Immerhin gelang es, für die sächsischen Westgebiete in der Nähe des Rheins, unserer alten Reichsgrenze, ein paar Mandate zu vergeben. Für die fast unbekannte Landschaft nahe der alten Thinkstätte Markloh in der Gegend der Weser und Aller hatte sich niemand vormerken lassen und fand sich auch jetzt niemand.
    Vergebens sprach der Herr Karl ermunternde Worte. Er wies darauf hin, dass er befehlen könnte, jedoch in diesem Ausnahmefall der erhöhten Gefahr möglichst nach dem Prinzip der Freiwilligkeit verfahren wollte. Wir, die wir noch kein Mandat hatten, senkten die Köpfe und schwiegen hartnäckig. Herr Odo neben mir hatte sich abgewandt und verrenkte sich fast den Hals, um ein Wandgemälde zu betrachten, auf dem Kyros, Alexander, Romulus und Remus abgebildet waren.
    Da trat unser Herr Erzkaplan vor und bat den König, ein Wort an die Versammlung richten zu dürfen. Mit gerötetem Gesicht und großer Beredsamkeit erinnerte er an unsere heiligen Märtyrer, die sich nicht vor den barbarischen Gefolgschaften Wodans und Saxnots gefürchtet hatten. Stellvertretend für alle nannte er den Namen Theofrieds, eines irischen Mönchs, der ein leuchtendes Beispiel gab, als er vor Jahren in das wüste Sachsen ging, um das Missionswerk fortzusetzen. Kein Lebenszeichen habe man seitdem erhalten. Verschollen sei der heilige Mann.
    „Ist es nicht unsere Christenpflicht“, rief der Herr Erzkaplan, „uns dieses Unerschrockenen würdig zu zeigen? Müssen wir nicht seine Spur verfolgen und – falls ein Verbrechen an ihm verübt worden ist – die Täter finden und bestrafen?“
    Nun war es totenstill in der Halle. Wenn Du dies liest, mein lieber Volbertus, denkst Du gewiss dasselbe wie ich in jenem Augenblick. Alle empfanden, dass es Christenpflicht war, doch niemand meldete sich. Viele hatten ja Theofried gekannt, auch ich erinnerte mich sehr gut an ihn. Er war ein willkommener, wenn auch aufgrund seiner frommen Streitsucht manchmal etwas anstrengender Gast in den Gemeinschaften unserer Klöster gewesen. Wie viele aufregende Stunden haben wir in Fulda mit ihm verbracht, wie viele nützliche Gespräche geführt. Von dort aus war er zu seiner gefährlichen Missionsreise aufgebrochen. Beim letzten Abschied hatten uns allen Tränen in den Augen gestanden.
    Plötzlich war ich entschlossen.
    Ich trat zwei Schritte vor und rief: „Erlaubt, Herr König, dass ich … dass ich unseren Bruder Theofried suche! Lasst mich dorthin reisen, zu den Sachsen. Bitte erweist mir die Gunst und gebt mir das Mandat!“
    Durch die Halle ging ein Raunen der Erleichterung. Wohin ich in meiner Verlegenheit sah, begegnete ich freundlichen, anerkennenden Blicken. Nur Herr Odo grinste spöttisch, musterte mich wie einen Esel, der das Te deum laudamus singen wollte, und wandte sich wieder den Wandbildern zu.
    Inzwischen hatte mein Herr Kanzler das Wort genommen. Er stellte mich vor, denn kaum jemand kannte mich. Er lobte mich sehr und strich meine Fähigkeiten heraus, besonders meine Kenntnis der alten Volksrechte. Eigentlich, sagte er, hätte er vorschlagen wollen, mich zu den Thüringern zu schicken, die auch noch auf der Liste des Pfalzgrafen stünden. Wenn aber der Herr König meine Bewerbung annehme, würde er das für eine weise Entscheidung halten.
    Der
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