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Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache

Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache

Titel: Odo und Lupus 01 - Demetrias Rache
Autoren: Robert Gordian
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mich zu sich rief.
    „Höre, Lupus“, sagte er „du bist zu unserm Herrn König befohlen. Es werden dort Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, Grafen und andere hohe Herren anwesend sein. Der König wird eine wichtige Neuerung im Reiche bekanntgeben, an der auch du teilhaben sollst.“
    „Um was handelt es sich ?“, fragte ich verwundert. „Und was hätte ich, ein einfacher Diakon, in einem so vornehmen Kreis zu suchen?“
    „Warte nur ab, das wird sich finden. Dein Fuldaer Abt, Herr Baugulf, hat dich als Kenner des Rechts empfohlen. Das ist ja der Grund, weshalb du hier bist. Noch konnten wir dich nicht angemessen beschäftigen. Ich vermute aber, das wird sich ändern. Übrigens werden nicht nur hohe Amtsinhaber und Würdenträger anwesend sein, sondern auch andere verdiente Männer, für die unser König neue Aufgaben hat. Geh nun also und lege die schäbige Kutte ab, die Ärmel sind ja vom Schreibpult ganz durchgescheuert. Du hast doch hoffentlich eine bessere?“
    Glücklicherweise habe ich eine, die ich zu Festgottesdiensten oder anderen besonderen Anlässen trage. Nachdem ich am Brunnen Hals und Füße gewaschen und mich sorgfältig rasiert hatte, legte ich sie an und fand mich pünktlich zur befohlenen Stunde in der großen Palasthalle ein.
    Der Herr Kanzler hatte nicht übertrieben. Unter denen, die nach und nach eintraten, waren hohe Herren aus den edelsten Geschlechtern des Reiches. Ich bemerkte den Herrn Erzkaplan, den Kämmerer, den Seneschalk und meinen Herren Kanzler selbst. In der Mitte der Halle sah man die farbenprächtigen Gewänder der hohen Geistlichkeit, daneben die schlichtere Tracht der weltlichen Machthaber, die sich mit silbernem Gürtelschmuck und goldenen Fibeln für ihre Mäntel begnügten. Wir weniger wichtigen Männer, Geistliche niederen Ranges wie ich und einfache Königsvasallen ohne Benefiz, standen seitlich unter den Säulen.
    Schließlich verstummten alle Gespräche, denn zur Tür herein trat der Herr Karl, unser ruhmreicher, gottesfürchtiger König.
    Ich brauche Dir nicht den Eindruck zu schildern, den sein Erscheinen immer wieder hervorruft. Du selbst hast ihn mir einmal beschrieben, nachdem der Herr Karl Euer Kloster besucht hatte. Seine hohe Gestalt, die Haltung, die Gesichtszüge – alles verriet den bedeutenden Herrscher. Auch diesmal bewunderte ich wieder seine Geringschätzung gegenüber äußerlichem Prunk, womit er ja schon manchen Fremden in Erstaunen gesetzt hat, der sich einen König, welcher von den Pyrenäen bis zu Elbe gebietet, nicht anders vorstellen konnte als in Samt und Seide, goldstarrend und mit Diamanten beladen. Ganz wie ein biederer Landedelmann trug der Herr Karl sein ledernes Wams mit dem alten blauen Wollmantel darüber, an dem sogar Zweige und Stroh hingen. Er kümmerte sich ja um alles. Vielleicht hatte er gerade die Pferdeställe und die königlichen Obstgärten inspiziert.
    Nun aber ließ er sich auf seinem Thronsessel nieder und seine Miene, die gewöhnlich zwar respekteinflößend, doch gütig und mild ist, zeigte mit Ernst und Strenge an, dass es tatsächlich um eine hochwichtige Sache ging. Nachdem er sich kurz mit seinen Räten verständigt hatte, wandte er sich an die Versammlung.
    „Meine Herren“, sprach er, „ich bin in tiefer Sorge. Aus allen Teilen des Reiches wird mir gemeldet, dass die Unordnung jedes Maß übersteigt. Kaum eine Straße ist noch sicher, in jedem Wald lauert Räubergesindel. Die adeligen Herren gebieten mit Willkür, die Rechtshüter kennen die Gesetze nicht, unter dem Volk verfallen die Sitten. In den Klöstern lebt man nicht nach der Regel und es gibt Priester, die nicht einmal das Vaterunser beherrschen!“
    Der König machte eine Pause und ein allgemeines Gemurmel erhob sich. Viele sahen sich an und nickten bekümmert. Es hielt ihn nicht mehr in seinem Sessel, er sprang auf und ging mit weit ausladenden Schritten, vorbei an den zurückweichenden Herren, die ihm eine Gasse bildeten, von einer Seite der Halle zur anderen.
    „Aber das ist ja nicht alles!“, rief er. „Ich höre von Äbten, die die Immunität ihrer Klöster dazu missbrauchen, Übeltäter unserer Justiz zu entziehen. Ich höre von Grafen, die lieber Hirsche und Auerochsen jagen als das Verbrechergesindel in ihren Gauen. Andere nehmen Geschenke an und beugen das Recht zum eigenen Vorteil und dem ihrer Freunde und Verwandten. Ein Sumpf von Bestechlichkeit, Habsucht und Unmoral! Da soll es Bischöfe geben, die in betrunkenem Zustand die Messe lesen.
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