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October Daye: Winterfluch (German Edition)

October Daye: Winterfluch (German Edition)

Titel: October Daye: Winterfluch (German Edition)
Autoren: Seanan McGuire
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willigte ich ein.
    Ich hob den Erste-Hilfe-Kasten auf, legte Manuel einen Arm um die Schultern und zog ihn mit mir, während wir Sylvester hinaus in die reinigende Dunkelheit der Nacht folgten.
    Sylvester und seine Ritter waren in drei großen weißen Vans angerückt, die durchaus auf den Parkplatz eines Reinigungsdienstes gepasst hätten. Sylvester führte uns zum mittleren Fahrzeug und nahm auf dem Sitz neben mir Platz. Ich zuckte zusammen, als ich den Sicherheitsgurt anlegte, und versuchte, keinen Druck auf meine Rippen auszuüben. Dann schloss ich die Augen, lehnte mich zurück und gestattete mir, mich zu entspannen. Sylvester konnte sich eine Weile um alles kümmern. Dafür sind Lehnsherre n – und Freund e – da.
    Als wir in Schattenhügel eintrafen, wurden wir von besorgten Gesichtern begrüßt, allen voran von Luna und Connor. Rayseline war weit und breit nicht zu sehen. Sylvester befahl mich in die Obhut von Jin, der Heilerin des Mugels, und ich gehorchte bereitwillig, wäre auch zu erschöpft gewesen, um mich dagegen aufzulehnen. Sie versorgte meine Rippen, schimpfte mit mir, weil ich die Wunde in der Schulter wieder aufgerissen hatte, schimpfte noch mehr mit mir, weil ich seit mehreren Tagen nichts Anständiges gegessen hatte, und verfrachtete mich mit einem Berg Sandwiches und dem Befehl ins Bett, mich nicht ohne ihre Erlaubnis zu rühren. Ich war dermaßen ausgelaugt, dass ich tatsächlich auf sie hörte. Und das war gut so; die sechzehn Stunden, die ich dann schlafend in Schattenhügel verbrachte, sollten die letzte wahre Entspannung sein, die mir für mehrere Wochen vergönnt sein würde.
    Ich brauchte eine Woche, um mich von allem zu erholen, was geschehen war. Als mich die magischen Verbrennungen – durch Evenings Fluch und den kurzen Kontakt mit der Hoffnungslade verzöger t – einholten, pflegte mich Jin durch den schlimmsten Teil, und als ich wieder laufen konnte, überantwortete sie mich Mitch und Stacy, die mich überglücklich aufnahmen. Ich blieb zehn Tage bei ihnen. Die Kinder ließen sich in der Zeit ausgiebigst von mir verwöhnen. Mitch suchte regelmäßig meine Wohnung auf, um den Vermieter zu beschwichtigen. Außerdem sorgte er dafür, dass mein Teppich ausgetauscht wurde. Dafür hätte ich ihm beinah gedankt.
    Sylvester kümmerte sich um Manuel und organisierte eine Totenwache für Dare. Außer Manuel hatte sie keine Familie; niemand in der Welt der Sterblichen würde um sie trauern. Wir bestatteten den von den Nachtschatten zurückgelassenen Leichnam in den Sommerlanden, im Wald außerhalb der Mauern des herzöglichen Mugels. Sylvester stand neben mir und hielt mich fest, als ich weinte. Ich war ihre Heldin gewesen, und ich hatte versagt. Schließlich war ich nicht besser als jede andere.
    Ich besuche ihr Grab, so oft ich kann. Jedes Mal lasse ich Sträuße aus Rosmarin und Raute dort und sage ihr, dass es mir leidtut. Außerdem verspreche ich ihr, dass ich mich nächstes Mal besser anstellen werde. Wenn mich das nächste Mal jemand zu einer Heldin macht, werde ich die- oder denjenigen retten.
    Es dauerte drei Wochen, um Devins Zeug aus dem Heim zu schaffen. All die Aufzeichnungen, die er verwahrte, all die Dinge, die er gestohlen hatte. Die Hälfte seiner Kinder fand man nie; ihre Habseligkeiten warten in einem Lageraum in Schattenhügel darauf, dass ihre Besitzer kommen, um sie zurückzufordern. Irgendwie bezweifle ich aber, dass dies je geschehen wird. Ich wünschte, die Dinge wären anders verlaufen. Ich würde fast alles geben, um mich noch einmal von Evening beleidigen zu lassen oder um zu erleben, wie mich Dare mit Heldenverehrung in den Augen ansah. Aber manchmal fügen sich die Teile eben so zusammen, wie sie es wollen, und man kann die Geschichte nicht verändern; man kann nur versuchen, sie zu überstehen.
    Als wir das Heim zum letzten Mal aufsuchten, nachdem alles Rettenswerte entfernt worden war, gingen wir mit Fackeln und drei fetten Salamandern in Kristallgläsern hin. Sylvester legte mir die Hand auf die Schulter und fragte: »Bist du sicher, dass du das tun willst? Ich kann das für dich übernehmen, wenn dir das lieber ist.«
    »Schon gut.« Ich nahm den Deckel vom ersten der Gläser ab und schüttelte den Salamander auf den Fußweg. Dort hockte er und blinzelte voll stumpfsinniger Reptilienverwirrung mit den schimmernden Augen, bis Sylvester eine angezündete Fackel durch die offene Tür des Heims warf. Plötzlich interessiert, drehte sich der Salamander um und
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