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Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel

Titel: Ochajon 06 - Und Feuer fiel vom Himmel
Autoren: Batya Gur
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»Rubin, das musst du sehen, Rubin, glaub mir – du fällst tot um, wenn du das siehst.« Dann kippte sie den Inhalt ihrer Segeltuchtasche auf dem Teppich aus, musterte drei Kassetten, wählte eine davon und trat an den Bildschirm.
    Rubin blickte sie skeptisch an. Er befand sich mitten in einer Reportage über Gewaltanwendung bei Verhören des Geheimdienstes. Bereits einige Tage zuvor hatte er Chefez, dem Leiter der Nachrichtenabteilung, erklärt, dass ihn, mehr als die Ermittler des Geheimdienstes, das Verhalten der israelischen Krankenhausärzte interessiere, die jene deckten, und diesmal sei es ihm gelungen, zum ersten Mal, die Barriere des Schweigens der Ärzte zu durchbrechen. Er habe Glück gehabt, sagte er zu Chefez, dass er genau auf einen von den Ärzten gestoßen sei, ein Mitglied der Menschenrechtsorganisation »Betselem«, der die Szenen, die er mit ansehen musste, nicht mehr für sich behalten konnte. Sogar der Krankenhausdirektor hatte ihn, Arie Rubin, nicht aufzuhalten vermocht, als er sich an Doktor Landau, den Arzt, der ein Verhöropfer behandelte, heranmachte und ihm keine Ruhe ließ, bis er einen Mitschnitt davon hatte, wie jener ihn vom Eingang seines Arztzimmers wies – und damit war schon so gut wie eine Bresche geschlagen.
    »Natascha«, sagte Rubin müde, »jetzt ist es fast zwei in der Nacht, ich muss das morgen in der Früh fertig haben, warum kann denn das« – er deutete auf die Kassetten, die sie ihm hinhielt – »nicht bis zum Morgen warten? Wo brennt’s denn?«
    »Das wirst du gleich sehen«, versprach sie ihm und beugte sich schnurstracks über das Gerät, drückte auf den Knopf, entnahm die Kassette, an der er gearbeitet hatte, und legte die ihre ein. Bevor es ihm gelang, Einspruch zu erheben, hatte sie sie schon ohne Ton vorwärts gespult, stoppte sie dann und sagte mit triumphierendem Jubel: »Hier bitte. Schau.«
    Widerwillig blickte Rubin auf den Bildschirm. Er wollte immer noch protestieren, doch eine Gestalt mit schwarzer Kapuze bannte seine Aufmerksamkeit.
    »Was ist das?«, fragte er, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden.
    »Nicht was ist das«, korrigierte Natascha und tippte mit ihrem dünnen, kleinen Finger mit dem abgekauten Nagel auf den Bildschirm, »sondern wer ist das. Warum fragst du nicht, wer das ist, du weißt ganz genau, wer das ist, du erkennst ihn, oder nicht?«
    »Doch«, seufzte Rubin, »ich erkenne ihn. Der Oberrabbiner. Wo ist das? Es sieht aus wie ein Flughafen – ist es am Flughafen?«
    »Ja«, bestätigte Natascha und straffte sich, »am Flughafen auf dem Weg ins Ausland, im Outfit eines griechisch-orthodoxen Priesters, als hätte er sich im Kostümlager bedient oder so was … gib zu, dass das was ist, gibst du’s zu?«
    »Na gut«, erwiderte Rubin, »ich gebe es zu. Etwas. Aber was?«
    »Ich«, sagte Natascha in feierlichem Ton, »ich verfolge den Rabbiner Alcharizi schon seit einer ganzen Zeit. Ich habe mitgekriegt, dass er sich einmal in der Woche so was wie mit Leuten in irgendeinem Restaurant am französischen Hügel trifft …«
    »Was ›so was wie‹?«, fragte Rubin irritiert. »So etwas wie ein Restaurant oder so etwas wie trifft?«
    »Es gibt einen Ort in dem Viertel, am Giv’a hazorfatit, ich werd dir nicht sagen, wo, eine Art … nicht direkt ein Restaurant, so eine Art Café, und dort trifft er sich einmal in der Woche mit den Leuten, ich kenne sie nicht. Aber er kommt und geht von dort mit so einer schwarzen Tasche, eigentlich einem Koffer, wie … da, schau mal«, sie spulte die Kassette zurück und hielt sie bei einem Bild an, auf dem der Rabbiner Alcharizi mit einem kleinen schwarzen Koffer in der Hand zu sehen war – »so was wie das. Nein, nicht wie das, sondern das ist es. Und siehst du – der Koffer ist mit einer eisernen Kette an seinem Handgelenk befestigt, hast du’s gesehen?«
    Rubin nickte bestätigend – er sah es. »Sie treffen sich in diesem Lokal und …?«, fragte er.
    »Das ist es«, antwortete Natascha, »ich weiß nicht genau, was. Aber sie übergeben dort Gelder, viel Geld. Ich hab einmal reingelinst. Bargeld, Scheine, große und alles. Und ich weiß, dass Rabbiner Alcharizi gereist ist – nach Kanada, dreimal in drei Monaten, und diesen Koffer hat er mitgenommen, was schließen wir also daraus? Jemand bringt ihm Gelder, und er bringt sie nach Kanada!«
    »Nu?« Rubin sah sie erwartungsvoll an.
    »Was nu?«, fragte Natascha aufgebracht. »Du denkst doch nicht, das sei normal. Wieso bekommt er Geld und
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