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Obsession

Titel: Obsession
Autoren: Simon Beckett
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war gewesen, die demolierten Autos an der niedrigsten Stelle zu überwinden, doch nun blieb ihm keine andere Wahl,
     als geradewegs auf das erste Wrack zu springen, das er erreichte. Sein Fuß rutschte von einem vereisten Kotflügel ab, aber
     er bekam etwas Kaltes und Scharfkantiges zu fassen und zog sich daran hoch. Die Rufe waren jetzt hinter und unter ihm. Eine
     Hand packte seinen Knöchel. Er zog sein Bein an und trat nach hinten. «Scheißkerl!», sagte jemand, und sein Fuß war befreit.
     Die Karosserien waren eisig und scharfkantig. Er kletterte auf ein Autodach und sprang, als es sich unter ihm zu bewegen begann,
     auf das nächste. Der Haufen war so wackelig, dass er auf allen vieren weiterkroch, immer das Geschrei der Polizei im Ohr.
     Dann war er oben, rief:
«Hier ist Ben Murray, ich komme rüber!»
, und als er auf der anderen Seite hinunterkrabbelte, knallte und blitzte es vom Bürogebäude.
O Gott, dieses Arschloch!
, dachte er und rutschte nach unten. Er versuchte zu springen, stieß sich ab und landete hart auf dem rissigen Beton der Auffahrt.
     Er rollte sich zusammen und legte die Arme um seinen Kopf, da die Schrotflinte ein zweites Mal abgefeuert wurde. Wider |399| Erwarten wurde er von keiner Kugel getroffen. Stattdessen klang es so, als wären unzählige Kieselsteine gegen die Autowracks
     über ihm geschleudert worden. «
Zurück! Zurück!
Runter!»
, schrie jemand, und für einen Augenblick glaubte er, die gesamte durch den Rückzug der Polizisten wackelnde und quietschende
     Barrikade würde über ihm zusammenstürzen.
    Dann war es still.
    Langsam streckte er sich. Er lag direkt vor einem Wagen, der auf die Seite gefallen war. Er schaute hoch, sah, wie er schwankend
     über ihm aufragte, und kroch hastig darunter weg. Er hatte das Gefühl, dass sein ganzer Körper geprellt und aufgekratzt war,
     außerdem schmerzte sein Knöchel beim Auftreten, aber ansonsten war er unverletzt. Um das Zittern zu stoppen, rieb er seine
     Arme, aber die Zähne wollten nicht aufhören zu klappern. «O Gott», keuchte er, «o Gott.» Die Erinnerung an die Schüsse hallte
     noch in seinem Kopf nach. Aber sie hatten die Polizisten zurückdrängen sollen und waren nicht für ihn bestimmt gewesen.
    Cole wollte, dass er zu ihm kam.
    Auf der anderen Seite der Barrikade hörte er Greenes unverstärkte Stimme. «Murray!
Murray!
Können Sie mich hören?»
    «Alles in Ordnung.» Die Worte waren ein unverständliches Krächzen. Er strengte sich an, seine Stimme fester klingen zu lassen.
     «Mir geht’s gut!»
    In der Stille konnte er die Erleichterung des Vermittlers hören. «Okay, bleiben Sie, wo Sie sind. Suchen Sie sich irgendwo
     ein Versteck, aber gehen Sie nicht von den Autos weg. Rühren Sie sich nicht vom Fleck.»
    Ben antwortete nicht. Er schaute den Weg hinab zu dem dunklen Büro. Die Scheinwerfer des Land Rovers drangen |400| in gebrochenen Strahlen durch die Barrikade, aber sie reichten nicht so weit. Starr und still wartete das Gebäude auf ihn.
     Ben machte sich auf den Weg.
    «Murray? Mr.   Murray!» Greenes Stimme wurde leiser. «Hey, machen Sie keine Dummheiten, verdammte   ...»
    Ben ging weiter. Der Boden war gefroren, bei jedem Schritt knirschte es. Auch die Türme der ausgedienten Autos auf beiden
     Seiten waren mit Raureif überzogen. Nachdem er das aufgefächerte Licht des Land Rovers hinter sich gelassen hatte und seine
     Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er die Wracks im Mondlicht funkeln sehen.
    Von der Kletterei über die Barrikade waren seine Hände wund und froren. Das Einsatzkommando schien bereits weit hinter ihm
     zu liegen. Greene forderte ihn nun durchs Megaphon zur Rückkehr auf, aber selbst das schien entfernt und unwichtig zu sein,
     weit weniger real als seine Schritte auf dem vereisten Beton. Jetzt war es eine Sache zwischen Cole und ihm. Wie eigentlich
     schon die ganze Zeit.
    Er musste daran denken, wie er mit Keith über diesen Weg gefahren war. Seitdem war der Schrottplatz so oft in seinen Gedanken
     aufgetaucht, dass er kaum glauben konnte, erst einmal dort gewesen zu sein. Er fragte sich, ob er seit diesem Besuch eine
     einzige richtige Entscheidung getroffen hatte.
    Und ob es richtig war, was er jetzt tat.
    Als er sich dem unbeleuchteten Gebäude näherte, fühlte er sich ungeschützt und allein. Unruhig schaute er hinauf zu dem rechteckigen
     schwarzen Loch des Fensters im ersten Stock. Von dort waren die Schüsse abgefeuert worden. Es stand weit offen,
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