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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische
Autoren: dtv
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Sache mit meiner Hand zu erwähnen.
    »Wir haben von Chatham Steel einen Blitzauftrag für ein paar Ventile bekommen, und wenn wir damit fertig sind, müssen wir
     sie noch entsprechend chemisch behandeln. Rechne also nicht mit mir zum Abendessen. Ich weiß noch nicht genau, wann ich zu
     Hause sein werde.«
    »Arbeite nicht zu hart.«
    Genau das würde er jedoch tun. Aber der Laden lebte von solchen Spontaneinsätzen. Durch die Telefonleitung konnte man es knistern
     spüren, so hoch war sein Adrenalinpegel.
    Ich schlüpfte in meine Jeans und knipste die Beleuchtung am Weihnachtsbaum an. Es war schon fast drei Uhr nachmittags, und
     ich stellte fest, daß ich noch nichts zu Mittag gegessen hatte. Ich machte mir ein Sandwich mit Erdnußbutter und Banane und
     ein Glas Milch zurecht und ging ins Wohnzimmer, um mir die ›Oprah Winfrey Show‹ anzusehen.
    Oprah ist wie Mary Worth. Sie wird immer jünger, schlanker und attraktiver. An diesem Tag sprach sie über Hilfe für gewalttätige
     Eltern, was mich an die Needhams erinnerte. Hätte man ihnen an irgendeiner Stelle helfen können? Vermutlich. Zumindest die
     Kinder hätte man früher aus der Familie herausnehmen können.
    Ich aß mein Sandwich auf und wischte Erdnußbutter von meinem Gips. Verdammt. Er beeinträchtigte mich sogar beim Essen.
    |296| »Ich habe einfach die Kontrolle verloren«, sagte der Mann im Fernsehen. Ich faltete meine Serviette zusammen und dachte zum
     hundertsten Male, wie glücklich Mary Alice und ich doch waren. Daddy hatte uns gelegentlich mal einen Klaps auf den Hintern
     gegeben, um uns »Mores zu lehren«, wenn wir »unartig« gewesen waren. Bei Mama mußten wir in der Ecke stehen, um mal »in Ruhe
     über unser Verhalten nachzudenken«.
    Der mangelnde Schlaf in der Nacht, die Arbeit am Morgen und das Trauma meines Arztbesuches holten mich ein. Ich streckte mich
     auf dem Sofa aus und schloß die Augen. Eine Stunde später wachte ich auf und spürte etwas an meinen Füßen. Ich schreckte hoch.
    »Was ist denn mit dir los?« fragte Schwesterherz.
    »Ich hielt dich schon für den Geist aus Dickens’ Weihnachtsgeschichte.«
    »Dafür ist’s noch ein bißchen zu früh. Aber wie ich sehe, warst du beim Arzt.«
    Ich hielt meine Hand hoch, damit sie sie in Augenschein nehmen konnte.
    »Schmerzt sie sehr?« fragte sie.
    »Immer mal wieder. Ich habe sie heute morgen beim Fensterputzen zu stark strapaziert.«
    »Prima Idee. Es gibt doch nichts Besseres als Fensterputzen mit einer gebrochenen Hand.«
    »Woher willst du denn das wissen?«
    »Ich kann es mir vorstellen.« Mary Alice legte ihre Füße auf den Couchtisch. »Hast du der Polizei erzählt, daß du den Mordfall
     Mercy gelöst hast?«
    »Das habe ich in der Tat. Bo Mitchell nahm es sehr ernst.«
    »Sie hat diese Geschichte mit der Bahre auf dem Kahn ernstgenommen?«
    »Nachdem sie das Gedicht gelesen hat, ja. Sie hat sich das Buch sogar ausgeliehen.«
    |297| »Hm, wahrscheinlich sind schon seltsamere Dinge passiert. Aber daß sich Ross Perry diese eigenartige Methode ausgedacht haben
     soll, um Mercy zu töten? Und Claires Wände besprüht, damit es so aussieht, als wolle sie ihm das anhängen? Um ehrlich zu sein,
     Patricia Anne, ich glaube nicht, daß er so durchtrieben war.«
    Ich zuckte die Achseln. »Anscheinend doch.«
    »Tja, vielleicht.«
    »Arbeitest du heute abend mit Bill im Einkaufszentrum?«
    »Wir sind sozusagen gefeuert. Bills Gekratze hat die Eltern nervös gemacht.«
    Ich lachte. »Mußtest du dein elektrisch beleuchtetes Oberteil zurückgeben?«
    »Leider. Es wird mir fehlen.« Mary Alice grinste. »Ich bin übrigens gerade auf dem Weg ins Rosedale-Center, um die Kostüme
     zurückzubringen und ein paar Geschenke abzuholen, die bei McRae’s für mich bestellt sind.«
    »Sollen wir bei Morrison’s essen gehen? Fred arbeitet heute abend.«
    »Klingt gut.«
    »Dann gib mir noch fünf Minuten. Könntest du Woofer für mich füttern? Falls du willst, kannst du mit ihm auch eine Runde um
     den Block gehen.«
    »Will ich aber nicht. Es ist zu kalt. Ach übrigens, wußtest du, daß sie für morgen wieder Schneeschauer vorhergesagt haben?«
    »Weiße Weihnachten!« jauchzte ich. »Können wir beim Lebensmittelladen haltmachen?«
    »Na klar.«
     
    Dinge werden häufig durch die harmlosesten Kleinigkeiten in Bewegung gesetzt. Da saßen wir beiden alten Damen nun und aßen
     an einem kalten Winterabend in der Cafeteria eines Einkaufszentrums. Gemüseteller. Makkaroni mit Käse,
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