Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

O du Mörderische

Titel: O du Mörderische
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
|298| Steckrübenblätter, Schwarzaugenbohnen und Maisbrot. Blätterteigtörtchen mit Eiercremefüllung. Dann gingen wir zur Verwaltung
     des Einkaufscenters, um die Sachen zurückzugeben, machten bei McRae’s halt, um Mary Alices Bestellungen abzuholen, stöberten
     ein wenig bei den Weihnachtspullovern. Schwesterherz wollte mir einen davon kaufen, mit einem viktorianischen Paar, das am
     Kamin saß. Das seien Fred und ich, behauptete sie. Zu teuer, wandte ich ein.
    Wir blieben stehen und sahen uns das neue Santa-Paar an.
    »Viel zu mager«, erklärte Mary Alice.
    »Hohoho«, machte Santa mit matter Stimme, als sich ein dickes zwölfjähriges Kind auf seinen Schoß setzte, angestachelt von
     einer Gruppe von Freunden, die im Hintergrund standen und feixten.
    Wir holten uns eine Tasse Cappuccino, setzten uns neben den Springbrunnen und beobachteten die Menge.
    »Verbrenn dich nicht«, sagte Schwesterherz warnend, als sie bemerkte, wie ungeschickt ich die Tasse in meiner linken Hand
     hielt.
    Es war einer von jenen Abenden, wie ich schon Tausende mit Mary Alice verbracht habe, auch wenn ich mich an die Einzelheiten
     nicht mehr erinnere. Ich weiß noch, daß jemand einen Susan-B.-Anthony-Dollar in den seichten, klaren Wunschbrunnen geworfen
     hatte, wahrscheinlich weil er ihn für einen Vierteldollar gehalten hatte. Kein Wunder, daß sich diese Münze nicht durchgesetzt
     hatte, sie war dem Quarter einfach zu ähnlich. Ich zeigte ihn Schwesterherz.
    Es war noch nicht spät, als wir auf den gutbeleuchteten Parkplatz hinauskamen. Vielleicht halb acht oder acht. Mary Alice
     warf die Pakete auf den Rücksitz, und wir fuhren in Richtung Highway. Ich versuchte zu erkennen, ob irgendwelche Wolken im
     Anzug waren, aber es brannten zu viele Lichter in der Stadt.
    |299| »Ich muß Fred anrufen und sehen, ob er zu Hause ist«, sagte ich. »Ich hätte ihm was zum Abendessen besorgen sollen.«
    »Fred darf nicht so viele fette Sachen essen. Er bekommt allmählich einen Bauch.«
    »Tut er nicht.« Ich schloß das Telefon am Zigarettenanzünder an und wählte unsere Nummer. Meine eigene Stimme antwortete:
     »Hier ist der Anschluß der Hollowells. Wir können leider im Moment nicht selbst ans Telefon gehen   –« Ich legte auf. »Gott, klinge ich dämlich.«
    »Du solltest dir ein paar von diesen Ansagen zulegen, die zur jeweiligen Jahreszeit passen.«
    Ich verzichtete auf eine Antwort.
    Wir befanden uns auf dem oberen Teil des Highways, von dem aus man auf die alte Abfüllfabrik blickte, in der einen Abend lang
     Mercy Armisteads Galerie gewesen war. In der Ferne leuchteten der Kranz und der Weihnachtsstrumpf des Sonat Building, und
     auf dem Red Mountain hielt Vulcanus seine Fackel hoch. Es war kein schlimmer Verkehr.
    »Schau mal«, sagte Mary Alice. »Da ist jemand in der Galerie. Die Lichter sind an. Ich geh’ dir diesen Bilder-Quilt von Leota
     holen, den du so bewundert hast.«
    »Weißt du noch, wieviel das Ding kostet?«
    »Ich möchte, daß du ihn bekommst. Wenn’s ums Geldausgeben geht, machst du dir einfach zuviel Gedanken, Patricia Anne.«
    »Ich hatte nie so viel, daß ich mir darüber groß Gedanken machen mußte.«
    »Stimmt.« Mary Alice bog schwungvoll in die Ausfahrt ein. »Was ist, wenn die Polizei da unten ist?« fragte ich.
    »Meine Güte. Wir tun doch nichts Verbotenes. Ich vermute, daß Thurman das Zeug sortiert, um es an die Künstler zurückzuschicken,
     oder vielleicht überlegt er auch, was er mit den Räumlichkeiten machen soll. Wir können ruhig einmal nachsehen. |300| Vielleicht bekommen wir den Quilt ja sogar zum Schnäppchenpreis.«
    »Das hoffe ich«, seufzte ich.
    Sämtliche Lichter in der Galerie brannten, aber es waren keine weiteren Autos davor geparkt.
    »Vielleicht ist er durch den Hintereingang rein«, mutmaßte Mary Alice.
    Mir kam die Idee, dort vorbeizuschauen, auf einmal gar nicht mehr so genial vor.
    »Laß uns morgen noch mal herkommen«, sagte ich.
    »Nun sei nicht albern.« Mary Alice stieg aus dem Auto und ging zur Eingangstür. »Komm«, sagte sie, öffnete sie und spazierte
     in das Gebäude. Ich folgte ihr zögernd.
    Die Wände, die am Eröffnungsabend so von bunter Folk-Art geleuchtet hatten, waren jetzt nichts als blaß und grau. Nur noch
     wenige Bilder hingen da.
    »Es ist fast alles weg«, stellte ich fest.
    »Ich höre jemanden im Hinterzimmer. Ich wette, sie packen gerade die Sachen weg.«
    »Laß uns gehen«, mahnte ich.
    Aber Mary Alice war bereits auf dem Weg zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher