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Nur noch diese Nacht

Nur noch diese Nacht

Titel: Nur noch diese Nacht
Autoren: Kelly Mira Lyn
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Scheidungspapiere zum Unterschreiben bei Claire angekommen seien.
    Er hatte gewusst, dass die Unterlagen heute zugestellt würden, und sich einzureden versucht, es sei gut so. Sobald sie unterschrieben waren, würde er Claire abgehakt haben, die Augen schließen können, ohne sie so herzzerreißend lächeln zu sehen, wie bei dem kleinen Jungen in ihrem Atelier. Dann würde er aufhören, sie vor sich zu sehen, das Haar wie dunkle Bänder vom Wind gepeitscht, während sie am Strand kauerte und einen Seestern bewunderte. Er würde nicht mehr jede Nacht im Traum nach ihr tasten und es wie einen Schlag in die Magengrube empfinden, wenn ihm bewusst wurde, dass keiner von ihnen eine feste Beziehung wollte. Dass ihr Stöhnen oder ihr atemloses Gelächter nur Erinnerungen an eine vergangene Zeit waren.
    Für ihn.
    Eines Tages würde Claire einen Mann finden, der zu ihr passte und nur auf sie gewartet hatte. So bewältigten starke, intelligente, attraktive Frauen die Vergangenheit.
    Und wünschte er sich das nicht für Claire? Warum zog es ihn dann so unwiderstehlich nach New York? Er wollte zu ihr fahren, sich vor ihrem Haus auf die Lauer legen, um dem nächsten Kerl in die Parade zu fahren, der um sie herumscharwenzelte und sie erobern wollte.
    Mein Gott! Was ist nur mit mir los?
    Ryan stand vom Schreibtisch auf und ging zum Fenster, die Terminpläne und Arbeiten, mit denen er sich vergeblich zu beschäftigen versucht hatte, konnten ihm nicht helfen, Claire zu vergessen.
    Allmählich wurden die Tage wieder länger, im frühen Abendlicht breitete Boston sich friedlich unter Ryan aus. Taxis und andere Fahrzeuge glitten durch die Straßen der Stadt, Geschäftsmänner erschienen seltener auf den Gehwegen, die sich stattdessen mit modisch gekleideten Menschen zu bevölkern begannen. Frauen brachen fröhlich zum abendlichen Bummel auf, Paare wanderten Händchen haltend durch die Straßen, und selbst aus dem vierten Stockwerk konnte Ryan erkennen, dass sie zusammengehörten.
    Dort war er auch mit Claire entlanggeschlendert, sie hatten in einem nahe gelegenen beliebten Restaurant zu Abend gegessen und die halbe Nacht Pläne geschmiedet. Wie glücklich sie damals gewesen waren! Er hatte alles gehabt: eine Traumkarriere, eine Frau, die er liebte und die ein Kind von ihm erwartete. Doch rückblickend sah er nur noch, was er verloren hatte – alles, was ihm wichtig gewesen war.
    Dennoch hätte er letztlich keinen Tag mit Claire missen wollen. Was ihn mit ihr verbunden hatte, war unvergleichlich, trotz des Kummers, der Schmerzen und Enttäuschungen. Wenn er alles wiederholen könnte, würde er es tun …
    Der Gedanke ließ ihn zusammenzucken.
    Hatte er genau das versucht? Alles zu wiederholen?
    Nein. Diesmal war es nur eine Affäre gewesen. Animalische Anziehung. Wahnsinnssex. Dann das letzte fehlende Kapitel: der Abschied.
    Etwas in ihm weigerte sich, wahrzuhaben, dass es zu Ende war.
    Er konnte es einfach nicht glauben. Deswegen hatte er Claire an sich zu binden versucht, Möglichkeiten gesucht, in ihre Welt vorzudringen, aus der sie ihn auszuschließen versucht hatte … in ihr Haus, in die Galerie – und in die letzten dunklen Geheimnisse ihrer Vergangenheit.
    Vielleicht hatte ihn Claire jetzt auch wieder ausgeschlossen. Er würde zu ihr fahren, weil er das noch in Erfahrung bringen wollte.
    Als sie ihm beim Abschied die Möglichkeit gegeben hatte, etwas dagegen zu unternehmen, hatte er sich zu sehr in die Vergangenheit, den Schmerz und seine Unfähigkeit verrannt gehabt, um richtig darauf zu reagieren.
    Aufgewühlt ging er im Büro auf und ab, ließ die Faust krachend gegen die Wand sausen und schloss die Augen.
    Was sollte er bloß tun?

12. KAPITEL
    Verloren blickte Claire ins Leere und durchlebte all die Träume, Erinnerungen und auch die Hoffnungen, die sie gehabt hatte und die nicht erfüllt worden waren. Schließlich stellte sie sich der Wirklichkeit und setzte entschlossen ihre Unterschrift auf die Papiere, obwohl sie sich elend fühlte.
    Schluss mit dem Zögern. Es gab keinen Weg zurück.
    Auf dem letzten Blatt entglitt ihr der Federhalter, sie stürzte zum offenen Fenster und atmete tief durch. Die Zweifel, die sie verdrängen wollte, überfielen sie und drohten sie zu ersticken.
    Gesenkten Kopfes lehnte sie sich an die Fensterscheibe und atmete die kühle New Yorker Luft tief ein und nahm die vielen unterschiedlichen Geräusche wahr: das Zuschlagen von Wagentüren, Rufe, Begrüßungen, Gelächter, Sirenengeheul, das
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