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Nur Mut, liebe Ruth

Nur Mut, liebe Ruth

Titel: Nur Mut, liebe Ruth
Autoren: Marie Louise Fischer
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der
Räder nicht verstehen konnte.
    „Limonade?“ fragte er.
    „Nein. Ich muß den Zugführer
sprechen!“
    „Der ist ganz vorne. Gleich
hinter der Lok.“
    Ruth marschierte weiter, jetzt
schon mit leichterem Herzen, vorbei am Speisewagen und an den Abteilen erster
Klasse und einem Büro für Fahrgäste, die unterwegs arbeiten wollten.
    Die Türe eines Abteils öffnete
sich, und ein großer Mann in blauer Uniformjacke mit leuchtend rotem
Schulterriemen trat heraus.
    „Herr Zugführer?“ piepste Ruth.
    „Ja, der bin ich!“ Der
Zugführer sah auf sie herunter. „Wolltest du mich sprechen, junge Dame?“
    „Ja, bitte. Es ist sehr
wichtig.“
    „Hast du etwa deine Eltern
verloren? Warte nur, das werden wir...“
    „Aber nein“, fiel Ruth ihm ins
Wort, „ich bin ganz allein unterwegs.“ Mit Überwindung fügte sie hinzu: „Ich
habe nicht einmal eine Fahrkarte!“
    „Also von zu Hause
ausgerissen!“
    „Auch das nicht, Herr
Zugführer! Bitte, könnten wir nicht wo hingehen, wo ich Ihnen alles in Ruhe
erklären kann? Hier auf dem Gang kann ich nicht gut sprechen.“
    „Na, dann komm mal mit!“ sagte
der Zugführer und schob sie in das Abteil, aus dem er eben gekommen war.
    Hier hingen Uniformjacken und
Mäntel, und auf einer Bank lag eine Blechdose für Butterbrote. Aber sonst war
es leer.
    „Ich verfolge eine Diebin“,
sagte Ruth, „sie sitzt hier im Zug, aber ich konnte nicht herausbekommen, wo
sie aussteigen will. Deshalb bin ich mitgefahren.“
    „Das ist ja hochinteressant“,
sagte der Zugführer, und es war ihm anzumerken, daß er ihr kein Wort glaubte.
    „Gibt es hier im Zug Telefon?“
fragte Ruth. „Ach, Gott sei Dank! Da hängt ja ein Apparat! Bitte, lassen Sie
mich mit dem Polizeipräsidium verbinden. Wenn ich mit Kriminalinspektor Maurer
reden kann, ist alles in Ordnung!“
    „Hm“, machte der Zugführer und
kratzte sich am Kinn; wider Willen hatte ihn Ruths Entschlossenheit doch
beeindruckt. „Ich glaube, ich selber werde mal mit diesem Kriminalinspektor...
wie heißt er doch gleich?“
    „Maurer!“
    „Also, dann werde ich mal mit
ihm reden. Setz dich solange hin. Und wehe, wenn du auszureißen versuchst.“
    „Aber“, sagte Ruth, „wie käme
ich denn dazu!“
    Sie setzte sich und hörte mit
an, wie der Zugführer erst die Bahnpolizei und dann das Polizeipräsidium
anrief, und sie hoffte von ganzem Herzen, daß der Zug nicht hielt, bevor die
Verbindung hergestellt war, damit die Perückendame nicht doch noch im letzten
Moment entwischen konnte.
    „Kriminalinspektor Maurer ist
nicht da? Sehr schade. Kann ich Ihnen dann den Fall erzählen?“ sagte der
Zugführer. „Also bei mir hier sitzt ein kleines Mädchen...“ Und er berichtete,
was er wußte, und lauschte danach einige Zeit.
    „Ach so. Gut, ich verstehe“,
sagte er, „und was soll ich nun mit der Kleinen machen?“ Er hielt den Hörer zu.
„Ich soll dich fragen, ob du aus der Parkschule bist?“
    „Ja, das bin ich!“ rief Ruth
fröhlich. „Aus der Sechs a!“
    Der Zugführer sagte es in den
Hörer, lauschte dann wieder, verabschiedete sich und hängte auf. „Na, da hast
du ja noch mal Glück gehabt“, sagte er, „komm mit!“
    „Wohin?“
    „Du sollst mir die verdächtige
Person zeigen. Wenn sie den Zug verlassen will, soll ich sie der Bahnpolizei
übergeben...“
    Aber dazu kam es dann doch
nicht. Die Perückendame, die Ruth mit einem raschen Blick durch das Fenster
ihrer Abteiltüre erkannt hatte, rührte sich nicht von ihrem Platz, und an der
übernächsten Station bestieg Kriminalinspektor Maurer mit einem Assistenten den
Zug und holte sie heraus.
    Sie protestierte heftig,
schimpfte und schrie und beteuerte ihre Unschuld. Aber die schlichte,
dunkelhaarige Perücke, die der Kriminalinspektor aus der Schachtel holte und
auf seinem Zeigefinger tanzen ließ, bestätigte Ruths Bericht.
    „Regen Sie sich nicht auf,
meine Teuerste“, sagte der Kriminalinspektor, „wir werden Sie den bestohlenen
alten Leuten gegenüberstellen... mit Perücke, versteht sich... und dann wird
sich ja herausstellen, ob Sie die Diebin sind oder nicht.“
    Daraufhin wurde sie dann doch
ziemlich still.
    „Ich bin so froh“, sagte Ruth
strahlend, „daß Sie mir sofort geglaubt haben, Herr Kriminalinspektor.“
    „Geglaubt habe ich dir, weil
deine Freundinnen auch schon bei mir waren und ich mir daraufhin die Pension
Erika etwas näher angesehen habe. Dabei hat sich herausgestellt, daß du ganz
recht hattest: Genau neben dem
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