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Nur Mut, liebe Ruth

Nur Mut, liebe Ruth

Titel: Nur Mut, liebe Ruth
Autoren: Marie Louise Fischer
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waren nicht alle
überzeugt, daß Ruth recht hatte.
    Silvy zum Beispiel konnte sich
nicht vorstellen, daß ausgerechnet Ruth, die sich bisher höchstens durch
komplizierte Frisuren und besonders schicke Kleider hervorgetan hatte,
plötzlich eines solch detektivischen Scharfsinns fähig sein sollte. Es ging ihr
gegen den Strich, daß die Kleine, der früher so leicht zu imponieren gewesen
war, sich plötzlich zur Anführerin der Clique aufgeschwungen hatte. Sie gönnte
ihr von ganzem Herzen einen Reinfall — aber sie wollte dabeisein und diesen
Reinfall miterleben.
    Auch Leonore zweifelte sehr
stark daran, daß Ruths Behauptungen stimmten. Ihr schien die ganze Geschichte
zu abenteuerlich und unwahrscheinlich. Aber auch sie wollte den Moment nicht
verpassen, in dem die Seifenblase platzen mußte. Sie fürchtete, daß die anderen
dann über die Kleine herfallen würden, und wollte sie in einer solchen Lage
nicht allein lassen.
    Olga dagegen machte sich
überhaupt keine Gedanken darüber, ob Ruths Behauptungen nun stimmten oder
nicht; sie fand es interessant und vergnüglich, auf Verbrecherjagd zu gehen,
ganz gleich, ob Aussicht auf Erfolg bestand oder ob das Ganze nur ein Spiel
war. Sie war es, die für Ruths Verpflegung sorgen wollte.
    Einzig Katrin zweifelte keinen
Augenblick daran, daß Ruths Beobachtungen und Berechnungen von Anfang bis Ende
stimmten. Sie hatte genug Phantasie, um auch die tollsten Dinge für möglich zu
halten, und sie war zudem ein ganz klein bißchen stolz auf Ruth, so etwa wie eine
ältere Schwester, die eine jüngere das Laufen gelehrt hatte. Nicht ganz zu
Unrecht war sie davon überzeugt, daß sie es gewesen war, die Ruth soviel
Unternehmungsgeist und Tatkraft eingeflößt hatte, und sie wollte unbedingt
ihren Triumph miterleben.
    So hatten es alle vier, wenn
auch aus den verschiedensten Gründen, sehr eilig, wieder in die Schillerallee
zurückzukommen, und alle vier verschlangen ihr Essen mit einer Geschwindigkeit,
die den vier Müttern einiges Kopfschütteln abforderte.
    Kleibers mußten sogar ganz auf
Ruths Anwesenheit am Mittagstisch verzichten, und obwohl es ja ganz natürlich
schien, daß sie einmal bei ihrer Freundin Leonore blieb, kam das ihren Eltern
doch sehr merkwürdig vor, weil sie so etwas bei ihrer Tochter gar nicht gewöhnt
waren.
    Wenn sie erst gewußt hätten,
was Ruth tatsächlich trieb, so wären sie wahrscheinlich vor Angst und Sorge
ganz aus dem Häuschen geraten. Aber zum Glück hatten sie keine Ahnung. So
konnte Ruth in aller Ruhe auf der Bank unter den Platanen die belegten Brote
vertilgen, die Olga ihr mitgebracht hatte, und sich dazu mit Limonade aus der
Flasche die Kehle befeuchten. Es versteht sich von selber, daß sie dabei die
Türen des gegenüberliegenden Hauses nicht aus den Augen ließ.
    Kurz vor drei Uhr waren alle
Freundinnen wieder versammelt, und Ruth konnte eine letzte Lagebesprechung
abhalten.
    „Paßt auf“, sagte sie, „wenn P.
aus dem Haus kommt, werde ich euch ein Zeichen geben und mich ganz schnell
abwenden...“
    „Warum?“ fragte Olga
dazwischen.
    „Weil sie mich sonst möglicherweise
erkennen könnte, ich glaube, das habe ich schon einmal gesagt! Also, ich werde
den rechten Arm vom Ellbogen aus anwinkeln... so! Und das wird für euch das
Zeichen sein, euch an ihre Fersen zu heften. Ihr geht zu Paaren. Katrin und
Leonore übernehmen die Führung, bleiben aber immer wenigstens drei Meter hinter
P. zurück. Silvy und Olga folgen in einem Abstand von weiteren drei Metern, und
ich werde das Schlußlicht machen.“
    „Ja, aber...“ begann Silvy.
    „Laß mich zu Ende reden“,
verlangte Ruth energisch, „wir haben nicht mehr viel Zeit. P. kann jeden
Augenblick erscheinen. Also, falls sich P. umdrehen und Katrin und Leonore
bemerken sollte, dann heben beide den rechten Arm hoch... so! Natürlich erst,
wenn P. sich wieder umgedreht hat. Das bedeutet für Olga und Silvy, daß sie
jetzt die Verfolgung aufnehmen müssen. Verstanden?“
    „Ja“, ertönte es im Chor.
    Und Katrin setzte noch hinzu.
„Sag mal, für wie dumm hältst du uns eigentlich?“
    Ruth ließ sich nicht aus der
Ruhe bringen. „Wenn P. um eine Ecke biegt, geschieht dasselbe. Dann übernimmt
auch das hintere Paar die Führung, Katrin und Leonore bleiben dann also zurück.
Bis zur nächsten Ecke, da wird wieder gewechselt.“
    „Und warum das ganze Theater?“
fragte Silvy.
    „Menschenskind, das ist doch
klar wie schwarze Tinte!“ rief Katrin. „Damit P. nicht merkt, daß
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