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Nur ein Kuss von dir

Nur ein Kuss von dir

Titel: Nur ein Kuss von dir
Autoren: S. C. Ransom
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»Ich habe noch etwas anderes für euch beide, etwas ganz Besonderes.«
    Er öffnete einen ledernen Beutel und nahm zwei vollkommen gleiche Armreife heraus, wunderschön in Silber gearbeitet und jeder mit einem geheimnisvollen, faszinierenden Stein. Den einen Armreif legte er um das Handgelenk seiner Tochter, den anderen um das des Mannes, der bald sein Schwiegersohn sein würde. »Sie kommen von weit her«, sagte er und senkte die Stimme. »Und sie sind das einzige Paar auf der Welt. Sie symbolisieren die Liebe, Liebe, die niemals brechen, niemals vergessen wird. In beide sind dieselben Worte eingraviert –
amor memoriae
 – Liebe der Erinnerung –, und so werdet ihr, wenn ihr sie tragt, dieser Liebe gedenken, die ihr füreinander empfindet, und werdet sie niemals vergessen.«
    Sie blickte auf ihren neuen Armreif und war voller Freude. Die Hochzeit war für die nächste Woche festgesetzt, ihr Vater war zu Hause, und sie trug das schönste Schmuckstück, das sie jemals gesehen hatte. Alles war vollkommen.
     
    Es war die Krankheit, die alles zerstörte. Die Krankheit, die sich immer weiter in den ärmeren Vierteln der Stadt verbreitete, wo die Menschen auf engstem Raum zusammenlebten und im Unrat versanken. Sie dachte, ihre Welt wäre weit davon entfernt. Doch sie irrte sich.
    An diesem Morgen hatte sie ihren Liebsten noch gesehen. Sie hatten sich zu einem Spaziergang getroffen. Er hatte sie dazu gedrängt, mit ihm davonzulaufen, die Pläne für eine Hochzeit in St. Paul’s aufzugeben, damit sie diese Nacht zusammen verbringen konnten. Aber sie hatte gelacht und gesagt, dass es zu dicht an dem Datum wäre und er warten müsste. Bevor er ging, hatte er sie mit ungewohnter Leidenschaft geküsst.
    Sie hatte noch in St. Paul’s Halt gemacht und war auf dem Heimweg, als sie einen ihrer Diener sah, einen guten Mann, der die Straße entlangrannte. Sie hielt ihn an, und er blickte sie mit schreckgeweiteten Augen an und wollte seiner jungen Herrin nicht sagen, was er gesehen hatte. Doch sie bestand darauf. »Es … es ist die Pest, Mistress. Das Zeichen der Pest ist auf seiner Tür.«
    »Wovon sprichst du? Wessen Tür?«
    »Die Tür Ihres Auserkorenen, Ihres Mannes.« Er ließ den Kopf hängen. Er wollte nicht mit ansehen, wie ihre Welt zerbrach. »Ich hab mit eigenen Augen gesehen, wie er hineingeleitet wurde.«
    Bestürzt trat sie einen Schritt zurück und bedeutete dem Diener zu gehen. »Nein. Das muss ein Irrtum sein. Ihm geht es gut, das weiß ich! Er wird bei der Hochzeit sein.«
    »Sie haben gestern die Tür versiegelt. Er muss entwischt sein, bevor sie ihn erwischt und wieder zurückgebracht haben. Jetzt kann niemand mehr dort raus.«
    »Du musst dich irren. Das will ich selber sehen. Gib mir deinen Umhang.«
    Der Diener tat, was sie verlangt hatte, und entfernte sich schnell. Er wollte ihr nicht widersprechen. Sie hüllte sich in den Umhang und machte sich auf den Weg. Am Morgen, als sie mit ihm zusammen gewesen war, hatte er nichts davon gesagt, und so musste der Diener irgendetwas falsch verstanden haben. Das musste einfach so sein!
    Sie ging durch die Fleet Street zum Haus seiner Familie und betete darum, dass ihre Gabe sie nicht verlassen würde, dass das, was sie sich am meisten wünschte, Wirklichkeit würde. Doch der Diener hatte nicht gelogen.
    Die Tür war versiegelt, das Zeichen der Pest frisch auf das Holz aufgetragen. Immer noch weigerte sie sich, ihren Augen zu trauen, und schlüpfte in eine Gasse seitlich des Hauses, wo sie zuweilen heimliche Küsse getauscht hatten. Da war ein kleines Fenster, das zu einem der Dienstmädchenzimmer gehörte. Vielleicht konnte sie das Mädchen dazu bringen, es zu öffnen, um mit ihr zu reden. Schnell schaute sie sich um, ob sie nicht beobachtet wurde, und dann beugte sie sich nieder, um hineinzuspähen.
    Es war ganz unverkennbar, was sie sah. Das Mädchen lag blass und erschöpft auf ihrem Bett und wirkte, als wäre sie dem Tode nahe. Jemand beugte sich über sie, kümmerte sich um sie mit äußerster Freundlichkeit, küsste ihre fiebrigen Augenbrauen, drückte sie an sich und erklärte ihr seine Liebe. Und während sie diesen tragischen Abschied beobachtete, wurde ihr plötzlich klar, wer es war, der das Mädchen mit solcher Zärtlichkeit hielt. Dieselben Hände hatten noch vor einer Stunde ihr Gesicht liebkost, dieselben Lippen hatten ihr seine unsterbliche Liebe zu ihr erklärt, derselbe Armreif blitzte an seinem Handgelenk blau auf: Es war der Mann, den
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