Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nur ein Jahr, Jessica!

Nur ein Jahr, Jessica!

Titel: Nur ein Jahr, Jessica!
Autoren: Berte Bratt
Vom Netzwerk:
reizenden alten Frau Ingwart arbeiten. Der erzählst du die Geschichte.
    Und sie muß dir ein Zeugnis geben, in dem sie dich bis in den Himmel lobt. Du kochst wie ein Engel, bist so ehrlich wie Abraham Lincoln, fleißig wie eine Biene, pünktlich wie ein Chronometer, gutherzig wie… wie…“
    „…wie Frau Ingwart selbst und intelligent wie Einstein, jawohl! Aber das mit dem Zeugnis ist eine gute Idee. Frau Ingwart macht alles mit, sie ist kein Spielverderber!“
    „Nein, sie ist phantastisch. Ich bin ganz verliebt in sie!“ schmunzelte Falko.
    „Unterstehe dich!“
    „Ja, ich unterstehe mich. Unbedingt. Wie alt ist meine große Liebe nun?“
    „Mal sehen! Sie war zweiundvierzig, als ihr Nesthäkchen geboren wurde – besagtes Nesthäkchen ist jetzt achtundzwanzig. Mensch! Frau Ingwart wird demnächst siebzig! Das muß gefeiert werden!“
    „Reni hat sich ja eigentlich eine ziemlich alte Schwiegermutter zugelegt!“
    „Macht nichts. Ich kenne keine Schwiegermutter, die einen so jungen Geist hat und soviel Humor.“
    „Also verstehst du, daß ich in sie verliebt bin!“
    „Und ob! Ich bin es ja selbst!“
    „Ich komme mehrmals in der Woche und besuche euch. Glaubst du, daß Reni mir den ‚Theodor’ leiht, während sie weg ist?“
    „Bestimmt! Das macht sie doch immer. Aber nun zu dir, Falko. Wir haben gar nicht von dir gesprochen vor lauter Aufregungen. Du sagst, du kommst mich öfter besuchen – du bleibst also in Kiel während der Semesterferien?“
    „Tu ich. Als Tankwartgehilfe.“
    „Fein. Dann kriegst du Trinkgelder!“
    „Eben! Eisenbahnwagenwaschen und Nachtwache, das ist mies. Aber Kellner, Paketträger und Tankwart sind feine Ferienberufe für einen begabten jungen Mediziner.“
    „Du! Falls es uns einfallen sollte, demnächst zu heiraten, würde dann der Standesbeamte auf unsere Papiere ,Falko Eichner, Tankwart’ und Jessica Berner, Hausangestellte’ schreiben?“
    „Bestimmt. Das ist ja mit ein Grund, warum wir warten. Bis er mit gutem Gewissen für uns beide ,Dr. med.’ schreiben kann!“
    Es tat direkt gut, ein bißchen mit Falko herumzualbern. Sein Optimismus, seine gute Laune und vor allem seine Liebe haben mir so unwahrscheinlich gut getan.
    Ich sah die ganze Situation völlig anders als noch vor wenigen Stunden.
    „Man knickt doch nicht zusammen bei der ersten Enttäuschung im Leben!“ sagte Falko mir zum Abschied. „Wer weiß, vielleicht wirst du in diesem Jahr Erfahrungen sammeln, die dir später sehr nützlich sein werden.“
    „Meinst du, daß ich meine zukünftigen Patienten bekochen soll oder wie?“
    „Ich meine, daß du deine zukünftigen Patienten auch seelisch verstehen und behandeln sollst, du Dummerle. Dazu gehört Menschenkenntnis, und die kannst du dir bestimmt als Hausgehilfin erwerben!“
    „Glaubst du? Vielleicht hast du recht. Aber, Falko, du mußt mir oft schreiben, und du darfst mich nicht vergessen, und…“
    „Ach, wie gut, daß du das sagst, sonst hätte ich es bestimmt getan! Gute Nacht, mein Mädchen! Ich komme morgen vorbei und helfe dir, noch den Rest zu packen. Und nun setz dich hin, und schreibe deinen Eltern!“
    „Genau das habe ich vor. Gute Nacht, Falko! Du, habe ich dir eigentlich jemals gesagt, daß ich dich liebhabe?“
    „Ich muß nachdenken. Ach ja, ich glaube du hast irgendwann so was angedeutet. So, im Ernst, Kopf hoch, mein Schatz! Alles nur halb so schlimm!“
    Es war schon Mitternacht, als ich den Brief an die Eltern beendete. Dann schlich ich lautlos aus der Wohnung und lief zum Briefkasten. Mutti und Vati sollten keine Minute länger als notwendig auf meine Post warten!
    Mein Herz wurde groß und warm, wenn ich an meine Eltern dachte. Was hatten sie alles durchgemacht, ohne mir ein Wort zu sagen! Wenn sie so tapfer waren und mit fast fünfzig Jahren ihre Existenz neu aufbauen wollten, dann wäre es ja noch schöner, wenn ich nicht ein bißchen Tapferkeit und Lebensmut beweisen sollte. Ich war jung und hatte das Leben noch vor mir, viele, viele Jahre. Und dann sollte ich nicht ein Jahr davon für meine Eltern opfern können?
    Gott sei Dank, daß ich Falko hatte, der mir den Kopf zurechtgerückt hatte.
    So! Und nun freute ich mich ganz einfach auf die Wochen bei der reizenden alten Frau Ingwart!
    Ich mußte meiner Wirtin die Wahrheit erzählen, daß ich diesmal nach den Semesterferien nicht zurückkommen würde. Wir hatten schon abgemacht, daß sie für die Ferien selbst das Zimmer benutzen wollte. Aber beim Semesteranfang
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher