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Nur dieser eine Sommer

Nur dieser eine Sommer

Titel: Nur dieser eine Sommer
Autoren: Mary Alice Monroe
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weit vom Kurs abgekommen waren. Linnea bewegte sich Zentimeter für Zentimeter vorwärts und eskortierte ihr ausgesuchtes Schildkrötenbaby. Palmer stand neben Cooper, eine Hand auf der Schulter des Kleinen, mit der anderen auf einen der Nestflüchter zeigend, die Hosenbeine bis zu den Waden hochgekrempelt, die Füße nackt. Gerade bückte er sich und flüsterte Cooper etwas ins Ohr. Weiter unten, schon direkt am Wasser, wartete Brett, die Hände wie üblich in die Seiten gestemmt.
    All das sah Cara von ihrem Ausguck auf der Düne, und sie spürte ganz deutlich, wie ihre Mutter ihr nah war. Plötzlich kam es ihr vor, als hörte sie Lovies Stimme:
Du wirst es erfahren, mein Liebling! Eines Tages weißt du es.
Und jetzt, dies nächtliche Bild vor Augen, wusste Cara es wirklich.
    Sie hatte keine Lust, nach Chicago zurückzukehren. Sie liebte diesen Mann aus dem Lowcountry, und ihn zu bitten, dies Land am Meer zu verlassen, brachte sie nicht übers Herz. Sie würde bei Toy und der Kleinen im Strandhaus bleiben und ihnen beim Neubeginn helfen. Sie würde sich mit ihrem Bruder aussöhnen und für seine Kinder da sein. Sie würde all ihre Freundschaften pflegen, wie sie Tausende von kleinen Schildkröten den Sommer über gepflegt hatte – Ehefrau, Mutter, Großmutter, Tante und Schwester, alles in einer Person, das wollte sie sein. Einer traditionellen Familie mochte das wahrlich nicht ähneln, doch was hatte Cara schon bislang auf Traditionen gegeben?
    Glücklich verließ sie die Düne. Brett wandte ihr den Kopf zu, verfolgte ihren einsamen Gang über den Strand hin zu ihm und streckte die Hand aus. Cara ergriff sie.
    Seite an Seite begleiteten sie den letzten winzigen Nachzügler auf seinem Weg zum Wasser. Cara beobachtete, wie er zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem Meer machte. Eine Welle spülte ihm den Sand vom Rückenpanzer, sodass nun die rötlichbraune Farbe zum Vorschein kam. Das Junge reckte angestrengt den Hals, als wittere es etwas oder höre den Ruf der uralten Schildkrötenmutter. Mit frischer Energie krabbelte es erneut voran, wurde jedoch von einem Brecher auf den Strand zurückgeworfen. Unbeirrt nahm das Kleine einen neuen Anlauf, um in das befreiende Element zu gelangen.
    Wieder rollte eine gischtschäumende Welle heran. Gespannt drückte Cara Bretts Hand. Die Woge erfasste das Junge, wirbelte es kopfüber durch die Brandung. Die kleine Schildkröte drehte sich und machte kräftige Paddelbewegungen.
    Sie geriet in die ablaufende Strömung, tauchte ab und verschwand in der weiten See. Und so sagte Cara dem letzten Boten eines wunderschönen Sommers lächelnd Lebewohl. In zwanzig Jahren, dachte sie, kommt dieses Tier vielleicht hierher zurück. Dann werde ich es, so Gott will, auf der Insel willkommen heißen.
    –
ENDE –
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