Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nur Der Tod Bringt Vergebung

Nur Der Tod Bringt Vergebung

Titel: Nur Der Tod Bringt Vergebung
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
war an der Zeit, das Segel einzuholen und das Schiff von den achtunddreißig Sklaven zur Küste rudern zu lassen. Er ging nach achtern, um entsprechende Befehle zu erteilen.
    Bruder Eadulf war auf dem Weg zu seinen Gefährten, einem halben Dutzend Männern, die am Heck des Schiffes auf ihren Strohsäcken lagen. Eadulf wandte sich an einen rundlichen, grauhaarigen Mönch. «Witebia ist in Sicht, Bruder Wighard», sagte er. «Der Kapitän sagt, wir können in einer Stunde landen. Soll ich es Seiner Gnaden melden?»
    Der rundliche Mann schüttelte den Kopf.
    «Seine Gnaden fühlt sich noch immer nicht wohl», erwiderte er betrübt.
    Bruder Eadulf sah ihn besorgt an.
    «Wir sollten ihn zum Bug bringen, damit die frische Luft ihn belebt.»
    Bruder Wighard schüttelte bedauernd den Kopf.
    «Ich weiß, mein Bruder, Ihr habt die Kunst der Apotheker studiert. Aber deren Kuren können auch das Gegenteil bewirken. Lassen wir Seine Gnaden noch ein wenig ruhen.»
    Eadulf zögerte, hin- und hergerissen zwischen seiner Überzeugung und der Tatsache, daß Wighard ein Mann war, den man nicht ungestraft mißachtete. Wighard war der Sekretär von Deusdedit, dem Erzbischof von Canterbury. Und es war Deusdedit, von dessen Gesundheit die Rede war.
    Der nicht mehr ganz junge Erzbischof war von Eugen I. Bischof von Rom und Vater der Heiligen Kirche, zum Führer der römischen Abgesandten geweiht worden, die in die angelsächsischen Königreiche Britanniens reisten.
    Doch niemand konnte mit Deusdedit sprechen, ohne vorher Wighards Erlaubnis eingeholt zu haben. Hinter Wighards engelsgleichen Zügen verbargen sich ein kühl berechnender Geist und ein Ehrgeiz, der so gnadenlos war wie ein frisch geschliffenes Schwert. Soviel war Eadulf in den wenigen Tagen, die er in der Gesellschaft des Mönches aus Kent verbracht hatte, jedenfalls schon klargeworden. Wighard wachte eifersüchtig über seine Stellung als Sekretär und Vertrauter des Erzbischofs und ließ niemanden an ihn herankommen.
    Deusdedit gebührte die Ehre, als erster Sachse das Amt innezuhaben, das Augustin von Rom feierlich in Canterbury eingerichtet hatte, als er vor knapp siebzig Jahren gekommen war, um die heidnischen Sachsen zu Christus zu bekehren. Bisher hatten nur Römer als oberste römische Missionare in Britannien gewirkt. Doch Deusdedit, ein Westsachse, dessen ursprünglicher Name Frithuwine lautete, hatte sich als besonders gelehrt und geduldig erwiesen und sich unermüdlich um die Lehren Roms verdient gemacht. Bei der christlichen Taufe bekam er den Namen Deusdedit, der Gottgegebene. Der Heilige Vater hatte keine Bedenken gehabt, ihn zu seinem Stellvertreter in Britannien zu ernennen, und so leitete Deusdedit nun schon seit neun Jahren die Geschicke all jener Christen, die auf der Suche nach spiritueller Leitung den Blick nach Rom richteten.
    Doch schon seit Beginn der Reise ließ Deusdedits Gesundheit zu wünschen übrig, weshalb er sich die meiste Zeit über, nur betreut von Wighard, seinem Sekretär, von seinen Glaubensbrüdern absonderte.
    Einen Augenblick lang zögerte Eadulf und fragte sich, ob er entschlossener seine medizinischen Kenntnisse zur Anwendung bringen sollte. Dann zuckte er die Achseln.
    «Wollt Ihr Seiner Gnaden sagen, daß wir bald landen werden?» fragte er.
    Wighard nickte beruhigend.
    «Ich werde dafür sorgen, daß er es rechtzeitig erfährt. Gebt mir Bescheid, wenn Ihr am Ufer irgendwelche Anzeichen für einen Begrüßungsempfang entdecken könnt.»      
    Bruder Eadulf neigte den Kopf. Das Großsegel war eingeholt und sicher verstaut, und die ächzenden Ruderer zogen mit voller Kraft an den langen Holzriemen, die das wendige Schiff in Richtung Küste trugen. Einige Augenblicke lang stand Eadulf einfach nur da und beobachtete das emsige Treiben an Bord, während das Schiff geradezu über das Wasser zu fliegen schien. Er dachte daran, daß es solche Schiffe gewesen waren, mit denen seine Vorfahren vor gar nicht allzu langer Zeit die grenzenlosen Meere überquert hatten, um in Britannien einzufallen und sich schließlich auf der fruchtbaren Insel niederzulassen.
    Die Aufseher gingen durch die Reihen der sich kräftig gegen ihre Ruder stemmenden Sklaven und trieben sie mit knallenden Peitschen und lauten Verwünschungen zu immer größeren Leistungen an. Hier und da war ein greller Schmerzensschrei zu hören, wenn das Ende einer Peitsche mit unbedeckter Haut in Berührung kam. Eadulf beobachtete die geschäftig hin und her laufenden Seemänner
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher