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Nur Der Tod Bringt Vergebung

Nur Der Tod Bringt Vergebung

Titel: Nur Der Tod Bringt Vergebung
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vorüber ist, wird in den Mauern dieser Abtei Blut geflossen sein. Blut wird die kalten Steine Eures Bodens beflecken.»
    Äbtissin Hilda schnaubte verächtlich.
    «Und ich nehme an, für einen ansehnlichen Preis bist du bereit, den Lauf des Bösen abzuwenden?»
    Zu ihrer Überraschung schüttelte der Bettler den Kopf. «Ihr solltet wissen, Tochter des Hereri von Deira, daß sich der Lauf der Sterne am Himmel nicht aufhalten läßt. Auch wer ihn erkennt, kann ihn nicht ändern. An dem Tag, an dem die Sonne sich am Himmel verdunkelt, fließt Blut! Ich bin nur gekommen, um Euch zu warnen. Ich habe im Namen Christi meine Pflicht getan. Hört auf meine Worte.»
    Die Äbtissin starrte den Bettler an, der die Lippen zusammenpreßte und trotzig das Kinn vorschob. Einen Augenblick lang war sie verunsichert und von der kühnen Haltung dieses Mannes und seiner schrecklichen Botschaft verstört, doch dann gewann die Verärgerung wieder Oberhand. Sie wandte sich ihren Untergebenen zu.
    «Führt den unverschämten Tölpel ab und laßt ihn auspeitschen», befahl sie barsch.
    Die beiden Ordensbrüder packten den sich heftig wehrenden Bettler am Arm und zerrten ihn hinaus.
    Als auch die Schwester sich zum Gehen wandte, hielt Äbtissin Hilda sie mit erhobener Hand zurück. Die Schwester sah sie erwartungsvoll an, während die Äbtissin sich vorbeugte und die Stimme senkte.
    «Sag ihnen, sie sollen nicht zu fest zuschlagen, ihm aus der Küche ein Stück Brot bringen und ihn in Frieden gehen lassen, wenn sie mit ihm fertig sind.»
    Die Schwester zog die Augenbrauen hoch und zögerte, als wollte sie den Anweisungen widersprechen. Dann nickte sie eilig und ging ohne ein weiteres Wort davon.
    Durch die geschlossene Tür hörte Äbtissin Hilda noch immer Cannas Sohn und seine durchdringende Stimme.
    «Nehmt Euch in acht, Äbtissin! An dem Tag, an dem sich die Sonne am Himmel verdunkelt, fließt Blut in Eurer Abtei!»
     
    Mit aller Kraftstemmte sich der junge Mann gegen den schneidenden Wind. Schritt für Schritt kämpfte er sich vorwärts. Schließlich lehnte er sich an den Schiffsbug aus dunkler Eiche und suchte mit zusammengekniffenen Augen die ferne Küste ab. Der Wind zerzauste sein dunkles Haar, rötete seine Wangen und bauschte sein braunes Wollhabit. Der Mann umfaßte die Reling mit beiden Händen, auch wenn das Deck unter seinen Füßen nur sanft über den vom Küstenwind aufgewühlten Wellen schwankte. Überall auf der grauen Wasseroberfläche waren weiße Schaumkronen zu sehen.
    «Ist das Northumbrien, Käptn?»
    Er mußte schreien, um sich dem kräftigen, alten Seemann, der unmittelbar hinter ihm stand, verständlich zu machen.
    Der helläugige Kapitän mit dem wettergegerbten Gesicht nickte ihm zu.
    «Ja, das ist Northumbrien, Bruder Eadulf, Euer Bestimmungsort. König Oswius Reich.»
    Freudig erregt wandte sich der junge Mann wieder der Küste zu. Drei Tage lang waren sie jetzt schon an den Gestaden entlanggefahren, hatten sich langsam nordwärts gekämpft und versucht, den stürmischeren Wellen der offenen Nordsee zu entgehen. Stuf, der Kapitän des Schiffes, der aus dem Königreich der Südsachsen stammte, kannte sich aus und wußte die Sicherheit der ruhigeren Küstengewässer zu schätzen. Erst jetzt war er gezwungen gewesen, ins offene Meer hinauszusteuern, um eine große Landzunge zu umschiffen, deren langgestrecktes Ufer im Nordosten der offenen, stürmischen See zugewandt war.
    Stuf trat einen Schritt näher an den jungen Mönch heran und zeigte auf die Küste.
    «Seht Ihr die Klippen dort?»
    Bruder Eadulf ließ neugierig seinen Blick über die dunklen, gefährlich hoch und steil aussehenden Sandsteinklippen schweifen. An ihrem Fuße wurden sie von einem schmalen Gürtel aus Sand und zerklüfteten Felsen gesäumt.
    «Ja.»
    «Und seht Ihr auch den schwarzen Umriß oben auf den Klippen? Das ist Hildas Abtei, die man Streoneshalh nennt.»
    Aus dieser Entfernung konnte Bruder Eadulf nicht viel mehr erkennen als den kleinen schwarzen Umriß, den der Kapitän ihm gezeigt hatte. Er ragte direkt oberhalb einer Spalte zwischen den Klippen in den Himmel.
    «Das ist unser Hafen», sagte der Kapitän, als hätte er Bruder Eadulfs Gedanken erraten. «In der Felsspalte direkt unterhalb der Abtei liegt die Mündung des Esk, eines kleinen Flusses. In den letzten Jahren ist dort eine kleine Stadt entstanden. Wegen der Nähe zu Mutter Hildas Abtei nennt man sie Witebia, die ‹Stadt der Reinen›.»
    «Wie lange wird es noch dauern,
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