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Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:

Titel: Nur Der Mann Im Mond Schaut Zu:
Autoren: Carin Gerhardsen
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dachte, dass ihre Freundinnen sie trotzdem wiedererkennen würden. Eine von ihnen erzählte, dass sie auf ein eigenes Pferd sparte. Sie war dreizehn Jahre alt.
    Nachdem sie eine Weile überlegt hatte, ging Elise in den Laden. Sie musterte das Angebot an Süßigkeiten und Eis, Sandwiches und Limonade. Dann nahm sie allen Mut zusammen und schlich sich von hinten an die Seite des Mannes, um zu sehen, was er las. Tatsächlich, er schaute sich nackte Mädchen an. Hastig schaute sie sich um. Keiner der anderen Kunden befand sich in Hörweite, wenn sie leise genug sprach.
    »Willst du so was in echt sehen?«, fragte sie, ohne den Mann neben sich anzusehen.
    Er drehte sich um und stellte fest, dass sie tatsächlich mit ihm gesprochen hatte, dann wandte er sich wieder der Zeitschrift zu.
    »Was genau?«, fragte er bedächtig, ohne von der Zeitschrift aufzuschauen.
    »Ein nacktes Mädchen.«
    »Und was willst du dafür haben?«, fragte er ungerührt.
    Er hatte es also vorher schon gemacht. Nina hatte recht.
    »Hundert für die Möpse. Dreihundert die Muschi«, antwortete Elise mit gespielter Routine.
    »Und wenn ich mehr will …?«
    »Mehr gibt’s nicht«, sagte Elise.
    Er legte die Zeitschrift zurück in die Auslage, schaute ihr aber immer noch nicht ins Gesicht.
    »Du kriegst zweihundert«, sagte er und ging zum Ausgang.
    Sie folgte ihm mit hämmerndem Herzen. Es war spannend und ein bisschen eklig. Wie der Anfang von etwas ganz Neuem und Gefährlichem.

Die Nacht von Freitag auf Samstag
    S eine Mutter lag auf dem Bett, als er kam. Sie beklagte sich nicht über die Schmerzen, sondern begnügte sich mit der sachlichen Feststellung, dass sie sich vermutlich eine Rippe gebrochen habe, da sie ein ungutes Gefühl in der Brust habe. Sjöberg fragte sie, ob er einen Krankenwagen rufen solle, aber sie wollte kein großes Theater machen, zumal die Rettungssanitäter bestimmt Wichtigeres zu tun hätten, und überhaupt, was sollten die Nachbarn denken? Er half ihr vorsichtig auf die Beine, legte ihr den Mantel über die Schultern und führte sie zum Auto hinaus. Anschließend kehrte er noch einmal in die Wohnung zurück und packte eine Tasche mit Unterwäsche und Toilettenartikeln. Im letzten Augenblick fiel ihm auch noch ein, ihre Handtasche mitzunehmen, bevor er das Licht ausschaltete und die Tür hinter sich abschloss.
    Auf der Fahrt zum Krankenhaus erzählte seine Mutter, dass sie auf einen Hocker geklettert sei, um ein Tablett in den Wandschrank zurückzustellen, nachdem er und Åsa sie am Abend verlassen hatten. Sie habe das Gleichgewicht verloren und sei auf dem Fußboden gelandet.
    »Und jetzt falle ich euch zur Last. Du kommst nicht zu deinem Schlaf, und die arme Åsa muss sich ganz allein um die Kinder kümmern.«
    Sie schüttelte den Kopf und schaute aus dem Seitenfenster.
    »Mama, die Kinder schlafen und Åsa auch«, versuchte Sjöberg sie aufzumuntern. »Und mir macht es auch nichts aus, weil ich morgen frei habe. Aber um dich mache ich mir Sorgen. Du hättest doch mich darum bitten können, dieses Tablett in den Schrank zurückzulegen. In deinem Alter solltest du solche Sachen nicht mehr machen, Mama.«
    »Ich weiß. Man merkt gar nicht, wie die Jahre vergehen.«
    »Wie geht es dir? Sitzt du bequem?«
    »Wenn ich mich nicht bewege, ist es gar nicht so schlimm.«
    Sie schwiegen eine Weile, und Sjöberg dachte an das, was Åsa vorhin gesagt hatte. Seine Mutter war eine ziemlich seltsame Natur, dem konnte er nur zustimmen. Er merkte es nur nicht mehr. Mittlerweile war sie vierundsiebzig Jahre alt und er selbst neunundvierzig. Sie war mehr als die Hälfte ihres Lebens Witwe gewesen. Wie ist sie eigentlich damit klargekommen? Wie hatte sie sich gefühlt, als sie allein mit ihm zurückblieb? Über Gefühle hatten sie zu Hause nie gesprochen. Man lebte sein Leben und fand es weder gut noch schlecht. Es kam eben, wie es kam.
    »Wie ist Papa gestorben?«, musste er plötzlich fragen.
    Seine Mutter zögerte einen Augenblick.
    »Er ist krank geworden«, antwortete sie schließlich.
    »Aber was war es für eine Krankheit?«
    Als sie nicht unmittelbar darauf antwortete, hakte er nach:
    »Hatte er Krebs, oder …?«
    »Ich habe nie so genau nachgefragt«, antwortete sie mit einer gewissen Schärfe in der Stimme. »Man versteht ja sowieso nie, was diese Ärzte eigentlich sagen.«
    Sjöberg seufzte. So verliefen ihre Gespräche. Schon immer. Die Welt ist so groß und unbegreiflich. Man selbst ist so klein und unwichtig, und was hat es
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