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Nullpunkt

Nullpunkt

Titel: Nullpunkt
Autoren: Lincoln Child
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nicht, warum man überhaupt eine Basis wie diese braucht», sagte sie. «Ich meine, so weit oben im Norden und alles.»
    «Sie gehörte zum ursprünglichen Frühwarnsystem», erklärte Marshall. «Haben Sie schon mal von der
Pinetree Line
gehört oder der
DEW

    Kari Ekberg schüttelte den Kopf.
    «Im Jahr 1949 führten die Sowjets ihren ersten Atomtest durch. Die Bombe funktionierte, und das trieb uns fast in denWahnsinn. Wir haten gedacht, wir hätten mindestens fünf weitere Jahre, um uns vorzubereiten. Stattdessen sagten unsere Eierköpfe voraus, dass die Sowjets innerhalb weniger Jahre über genügend Bomben verfügen würden, um die Vereinigten Staaten vollständig in Schach zu halten. Also gab es gewaltige Aufrüstungsbemühungen – Waffen, Flugzeuge, Soldaten – einschließlich eines Notprogramms zur Entwicklung eines Grenzverteidigungssystems. Die atlantische und die pazifische Küste waren damit abgesichert, und es wurde rasch klar, dass die größte Bedrohung in Form von feindlichen Bombern über den Pol hereinkommen würde. Das Radar damals war noch ziemlich primitiv und konnte keine niedrig fliegenden Maschinen orten oder etwas hinter dem Horizont erkennen.»
    «Also mussten sie ihre Augen und Ohren so nah an die Bedrohung bringen wie möglich», folgte Ekberg.
    «Ganz genau. Die Militärs steckten die Köpfe zusammen und rechneten die drei wahrscheinlichsten Routen aus, die die russischen Bomber im Fall eines Angriffs nehmen würden. Sie errichteten ihre Frühwarnstationen so weit nördlich entlang dieser Routen wie nur irgend möglich. Das hier ist eine davon.» Marshall schüttelte nachdenklich den Kopf. «Die Ironie daran ist: Bis sie endlich fertiggestellt war gegen Ende der fünfziger Jahre, war sie bereits überflüssig. Raketen ersetzten Bomber als Trägersysteme für Atomwaffen, und wir brauchten ein schnelles, zentralisiertes Netzwerk, um dieser Art von Bedrohung zu begegnen. Also wurde ein neues System unter dem Namen SAGE errichtet. Diese Stationen wurde eingemottet.»
    Sie hatten die Biegung umrundet und bewegten sich durch einen kasernenartigen Flur. Vor einer der Türen blieb Sully stehen, drehte den Knauf und drückte sie auf. Dahinter befand sich ein spartanisches Zimmer, ausgestattet mit einer Pritsche,einem Schreibtisch, einem Kleiderschrank und einem Spiegel. Chen, der Aufbaustudent, hatte am Morgen den gröbsten Staub beseitigt. «Das hier ist Ihr Quartier», sagte Sully.
    Ekberg warf einen raschen Blick hinein und nickte Sully und Marshall dankend zu, die ihre Taschen auf die Pritsche stellten.
    «Es war eine lange Reise von New York hierher», sagte Sully. «Und wenn es Ihnen ebenso geht wie uns, dann haben Sie unterwegs wahrscheinlich nicht viel geschlafen. Wenn Sie sich also ein wenig ausruhen oder erfrischen wollen: nur zu! Die Duschen und Toiletten sind geradeaus den Gang hinunter.»
    «Danke für das Angebot, aber ich schätze, ich fange besser sofort mit der Arbeit an.»
    «Anfangen?» Sully starrte sie verwirrt an.
    Marshall begriff etwas schneller. «Sie meinen, Sie wollen es sehen.»
    «Selbstverständlich! Das ist der Grund, aus dem ich hier bin!» Sie blickte sich zu den Männern um. «Das heißt, wenn Sie kein Problem haben damit.»
    «Ich fürchte, so einfach ist das nicht», sagte Sully. «In den letzten Wochen wurden mehrere Polarbären gesichtet. Und diese Lavaschlote sind extrem gefährlich. Trotzdem dürfen Sie natürlich gerne alles aus sicherer Entfernung verfolgen, denke ich.»
    Ekberg schien darüber nachzudenken. Dann nickte sie zögernd. «Also schön.»
    «Evan wird Sie hinbringen – nicht wahr, Evan? Wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich muss noch eine Reihe von Tests abschließen.» Mit diesen Worten schenkte er ihr ein knappes Lächeln, nickte Marshall zu, wandte sich um und ging zurück in Richtung der provisorischen Labors.

5
    «Erstaunlich!», sagte Kari Ekberg, und ihr Atem kondensierte in der Luft. «Ich glaube nicht, dass ich jemals einen so klaren, intensiv blauen Himmel gesehen habe.»
    Sie stiegen in strahlendem Sonnenschein das Gletschertal hinauf. Trotz verärgerter Hinweise auf die dringende Natur seiner Arbeiten hatte sich Faraday entschieden, sie zu begleiten, und er schnaufte und ächzte, je höher sie kamen. Faraday hatte diesen Weg seit einem Monat jeden Tag mindestens einmal zurückgelegt – die Tatsache, dass er ihm immer noch zu schaffen machte, verriet die vielen in Labors verbrachten Jahre in sitzender Haltung und ohne
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