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Nullpunkt

Nullpunkt

Titel: Nullpunkt
Autoren: Lincoln Child
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Ekberg.
    «In gewisser Hinsicht, ja.»
    «Das klingt ziemlich sexy, wenn Sie mich fragen. Und ich nehme an, ein Gletscher ist wie geschaffen für diese Art von Arbeit, weil er alles tiefgefroren und wie in einer Zeitkapsel konserviert hat?»
    «Ganz genau», sagte Marshall. Er war beeindruckt von ihrer Fähigkeit, ein ihr völlig unvertrautes Fachgebiet so schnell einzuschätzen und zu verstehen. «Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass das Eis, wenn es schmilzt, seinen Inhalt einfach freisetzt. Kein Quälerei, kein Dreck – und keine Schaufeln und Meißel, um Fossilien und Subfossilien auszugraben.»
    «Eine sehr pragmatische Sichtweise. Was sind Subfossilien? Ganz kleine Fossilien?»
    Marshall lachte. «So nennen Paläontologen Fossilien, die noch keine zehntausend Jahre alt sind.»
    «Ich verstehe.» Sie wandte sich an Faraday, der sich sichtlich mühte, Schritt zu halten. «Und Sie, Dr. Faraday, sind Evolutionsbiologe, ist das richtig?»
    Faraday blieb stehen, um durchzuatmen, und die anderen warteten zuvorkommend. Er nickte und verlagerte seinen kleinen Rucksack von einer Schulter auf die andere.
    «Und das bedeutet …?»
    «Einfach ausgedrückt, ich untersuche, wie sich die Spezies im Verlauf der Zeit verändern», schnaufte er.
    «Und warum ausgerechnet hier, in einer so unwirtlichen Umgebung?»
    «Meine Forschung untersucht den Effekt, den die globale Erwärmung auf die Entwicklung der Arten hat.»
    Sie verzog das Gesicht zu einem Lächeln. «Sie arbeiten also tatsächlich daran, die globale Erwärmung zu stoppen, während Dr. Marshall hier die Erwärmung lediglich zu seinem Vorteil ausnutzt.»
    Alarmglocken schrillten in Marshalls Kopf: Terra Prime hatte ihre Expedition finanziert in der Annahme, dass es ausschließlich um die globale Erwärmung ging. Doch Kari Ekbergs Lächeln war freundlich, und so lächelte er einfach freundlich zurück.
    Sie blieben kurz stehen, sodass Ekberg ein paar weitere Notizen in ihren Recorder sprechen konnte. Marshall wartete und beobachtete den Horizont. Dann stockte er. Er nahm sein Fernglas hervor und reichte es Ekberg. «Hier, sehen Sie. Draußen auf dem Permafrost, im Südwesten.»
    Sie spähte einige Sekunden lang durch das Glas. «Wenn man vom Teufel spricht», sagte sie schließlich. «Zwei Polarbären.» Sie beobachtete die Tiere noch eine Minute, dann gab sie Marshall das Fernglas zurück. «Müssen wir jetzt umkehren?»
    «Hier oben auf dem Berg müssten wir in Sicherheit sein. Normalerweise ist einer von uns bewaffnet.»
    «Und warum sind wir das heute nicht?»
    «Ich trage niemals Waffen. Und Wright vergisst immer wieder, ein Gewehr mitzunehmen. Kommen Sie, wir sollten lieber weitergehen.»
    Als sie der Abbruchkante des Gletschers näher kamen, blickte Marshall nervös nach oben auf die eisige Wand, dochdie tiefen Temperaturen der letzten Tage hatten den Tauprozess vorübergehend gestoppt, und die Eiswand sah mehr oder weniger ebenso aus wie drei Tage zuvor, als sie die Höhle entdeckt hatten.
    «Dort hinten, das ist die Höhle», sagte er und deutete auf die schwarze Öffnung in der Nähe der Basis des Gletschers.
    Ekberg sah zu der bezeichneten Stelle. Obwohl sie sich nichts anmerken ließ, spürte Marshall ihre Enttäuschung darüber, dass sie nicht ins Innere sehen konnte. Er nickte Faraday zu. Der Biologe griff in eine Parkatasche und zog den glänzenden Abzug eines Fotos hervor, den er Kari Ekberg reichte.
    «Das hier haben wir im Innern des Schlots gefunden», sagte Marshall. «Es ist ein Ausdruck aus unserer Videoaufzeichnung.»
    Sie nahm die Fotografie begierig entgegen und starrte darauf, während sie hörbar einatmete.
    «Es starb mit offenen Augen», hauchte sie.
    Niemand antwortete.
    «Mein Gott. Was für ein Tier ist es?»
    «Das wissen wir nicht mit Bestimmtheit», antwortete er. «Wie Sie an diesem Ausdruck erkennen können, ist das Eis sehr trüb, und wir können nur die Augen sehen und ein wenig Fell ringsherum. Aber wir glauben, dass es sich um ein Smilodon handeln könnte.»
    «Ein
was

    «Ein Smilodon. Besser bekannt als Säbelzahntiger.»
    «Die Bezeichnung ist technisch nicht korrekt», verbesserte ihn Faraday. «Weil das Smilodon einer ganz anderen Linie entstammt als der Tiger.»
    Doch Ekberg schien ihm nicht zuzuhören. Sie starrte aus weit aufgerissenen Augen auf das Foto. Ihr Digitalrecorder war für den Moment völlig vergessen.
    «Die Augen deuten jedenfalls darauf hin», erklärte Marshall. «Sie sind den Augen heutiger
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