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Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)

Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Marlies Ferber
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Dhoti, dem Traditionsgewand der Inder, zwischen den Kellnern an der rückwärtigen Wand stand. Wie eine jüngere Ausgabe von Gandhi, dachte James. »Mr Chandan, bitte!« Der Inder eilte zu einem Beistelltischchen, griff mit beiden Händen ein kleines Silbertablett, auf dem ordentlich aufgereiht dreizehn Glückskekse lagen, und überreichte jedem Gast feierlich ein kleines, in durchsichtige Folie verschweißtes Gebäckstück. »Brecht den Keks bitte auf«, sagte Phyllis, »wer mag, kann ihn auch gleich essen. Worauf es mir ankommt, ist das Zettelchen darin.« Sie griff sich miteiner theatralischen Geste ans Herz: »Ich verrate euch eine große Schwäche von mir: Ich bin abergläubisch. Manche glauben an schwarze Katzen, manche an Horoskope oder an Unglückszahlen. Ich glaube an Glückskekse.« Phyllis öffnete ihre Packung, zerbrach den Keks und zog den kleinen Papierstreifen heraus, der sich darin verbarg. »Ich werde euch meine Glückskeks-Prophezeiung verraten.« Sie hielt sich den Zettel mit ausgestrecktem Arm vors Gesicht, kniff die Augen zusammen und las: »Seien Sie nicht so eitel und setzen Sie Ihre Brille auf.« Alle lachten. Phyllis reichte den Zettel an Eden weiter: »Eden, mein Lieber, sei so nett und lies mir vor, was darauf steht.«
    Eden nahm das Zettelchen und las vor: »Die höchste Form des Glücks ist ein Leben mit einem Schuss von Verrücktheit. Gönnen Sie sich etwas!«
    »Na bitte«, sagte Jeremy und winkte dem Kellner, der mit einer Flasche Champagner herbeieilte und begann, die Gläser der Gäste zu füllen. »Das lassen wir uns nicht zweimal sagen! Auf dein Wohl, Phyllis!«
    Als alle getrunken hatten, wandte Phyllis sich ihrer Tochter zu. »Ich glaube, meine Tochter Sheila brauche ich nicht vorzustellen. Ihr alle kennt sie, und ich freue mich sehr, dass sie Mr Gerald überreden konnte mitzukommen.« Bei diesen Worten lächelte sie in James’ Richtung. »Ich hoffe, ihr werdet eine unvergessliche Reise haben. Los, Sheila, lies deinen Spruch vor!«
    Sheila schluckte die Reste ihres Glückskekses herunter und las vor: »Nicht der Wind, sondern die Segel bestimmen den Kurs.«
    »Eine große Weisheit, auch wenn wir – glücklicherweise – nicht auf Segel angewiesen sind, um vom Fleck zu kommen«,bemerkte Jeremy. Phyllis erhob das Glas. »Auf dein Wohl, liebe Sheila. Mögest du deine Segel immer richtig setzen!« Man hob erneut die Gläser, und der Kellner entkorkte eine weitere Flasche Champagner. James sah, dass Sheilas Wangen vom Alkohol schon glühten, und rechnete sich aus, dass jeder, wenn die Reihe an ihm war, etwa vier Gläser Champagner getrunken haben würde. Die Glückskeks-Geschichte mochte albern sein, aber die Trinkerei dabei lockerte ganz sicher die Stimmung.
    Phyllis stellte den Gast zu ihrer Linken vor. »Dies ist Charles Walther, mein langjähriger Weggefährte. Ein Gott unter den Heilpraktikern. Ohne dich, mein lieber Charles, wäre ich schon lange unter der Erde. Ich freue mich sehr, dass du dir die Zeit genommen hast. Ich weiß, wie sehr du es hasst, deine Patienten allein zu lassen.«
    Charles, den James auf Mitte sechzig schätzte, zerbrach seinen Glückskeks und las seinen Spruch vor: »Große Veränderungen stehen bevor.«
    »Ja, vor allem örtliche«, bemerkte Jeremy. »Morgen sind wir in Nizza, übermorgen in Rom«, fügte er im allgemeinen Gelächter hinzu.
    »Sag, Mutter, hast du die Zettel mit den Sprüchen am Ende selbst in die Glückskekse eingebacken?«, fragte Sheila.
    Phyllis winkte ab. »Backen ist etwas für Geduldige. Aber es ehrt mich, dass du mir das zutraust.«
    Dann richtete sie ihr Wort an James und ihren Ehemann: »Mein lieber James, mein lieber Eden, ich denke, ihr beiden seid die Einzigen, die meinen Stiefsohn Monty Miller noch nicht kennen.« Mit ausladender Geste lenkte sie die Aufmerksamkeit auf den groß gewachsenen Herrn, der James’ Einschätzung nach um die siebzig sein musste. Er trugals einziger Mann am Tisch keine Krawatte und hielt eine kleine Videokamera in der Hand, die er jetzt beiseitelegte, um nach seinem Glückskeks zu greifen. »Wir haben uns kennengelernt, als du noch so herrlich gelispelt hast. Wann war das noch genau?«, fragt Phyllis.
    »Im Sommer 1956«, sagte Monty. »Eines Morgens, als du verliebt turtelnd mit meinem Vater am Frühstückstisch saßest.«
    »Also bitte, Monty, das war keine Aufforderung, aus dem Nähkästchen zu plaudern«, sagte Phyllis tadelnd. »Aber du liebe Zeit, so lange ist das schon her? Es kommt mir
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