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Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)

Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Marlies Ferber
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Entscheidungsneurotiker hinter ihnen gezwungen zu warten, was ihnen noch mehr Gelegenheit gibt, hin und her zu überlegen. Dadurch stoppen sie wiederumdie Gierigen, die nun die Zeit nutzen, sich noch ein bisschen mehr auf den Teller zu laden, als sie sowieso schon draufhaben.«
    »Interessant«, bemerkte Sheila, »und zu welcher der beiden Gruppen zählen Sie mich?«
    »Anwesende immer ausgenommen«, sagte er.
    »Sie wissen, dass Sie arrogant sind?«
    »Geben Sie zu, ich habe recht.«
    »Ich persönlich liebe Buffets.«
    »Buffets sind die Sargnägel der Esskultur. Es grenzt an Folter, für seine Mahlzeit Schlange stehen zu müssen wie in der Betriebskantine.«
    »Na, da können wir ja von Glück sagen, dass wir dieser Folter entgehen«, sagte Sheila. Sie blieb stehen und sah James kritisch an. »Kann es übrigens sein, dass Sie ein klein wenig unterzuckert sind? Wenn ich übellaunig bin, liegt es oft daran, dass ich nichts im Magen habe.«
    Jeremy war stehen geblieben, er hatte die letzten Worte offenbar mitbekommen. »Keine Sorge, James, niemand muss auf der Victory Schlange stehen. Wir haben schon vor Jahren Freestyle-Dining eingeführt, es gibt Essensinseln. So muss niemand am ganzen Buffet vorbeipilgern, nur um sich eine Kleinigkeit nachzuholen.«
    »Ausgezeichnet«, sagte James.
    »Wieso haben Sie vorhin auf unserem Balkon nicht mehr gegessen, James?«, raunte Sheila ihm zu, als Jeremy sich wieder umgedreht hatte.
    Er lächelte. »Weil ich solche Freude daran hatte zuzuschauen, wie Sie alles wegputzten.«
    Sheila sah ihn an, den Kopf leicht zur Seite geneigt. Er kannte diese Bewegung und wusste, dass sie überlegte, obsie böse sein sollte. »Vielen Dank, James. Jetzt weiß ich auch, zu welcher Kategorie von Leuten am Buffet Sie mich zählen: zu den Gierigen.«
    »Nein, so war das nicht gemeint«, beteuerte er. »Sie sind einfach der einzige Mensch auf der Welt, dem ich ausgesprochen gern beim Essen zusehe.«

Kapitel 3
    Das hatte er befürchtet: Es gab Platzkarten. Wenigstens saß Sheila ihm gegenüber, sodass er unbefangen den Blick von seinem Teller würde heben können, ohne auf einen unappetitlich kauenden Menschen schauen zu müssen. Beim Meet and Greet hatte der Kapitän eine kleine, launige Ansprache gehalten, danach gab es Knabbergebäck und einen Aperitif und die erste Gelegenheit zum Small Talk. Mittlerweile hatte der Kapitän sich verabschiedet, um weitere Passagiere persönlich willkommen zu heißen, und man setzte sich. James war überrascht. Ohne sich darüber viele Gedanken gemacht zu haben, war er davon ausgegangen, dass die übrigen Gäste etwa im selben Alter sein würden wie die Jubilarin. Doch als er sich am Tisch umschaute, stellte er fest, dass Phyllis und Jeremy sowie ein Ehepaar gegenüber von ihnen die einzigen hochbetagten Menschen in der Runde waren. Dann rief er sich in Erinnerung, dass Phyllis in wenigen Tagen neunzig wurde – ein Alter, in dem der Kreis der Gleichaltrigen naturgemäß schon recht ausgedünnt ist. Es war für dreizehn Personen gedeckt; außerdem gab es einen Kinderstuhl, den eine junge blonde Frau allerdings gerade beiseitestellte.
    Nachdem alle Platz genommen hatten, schlug Phyllis mit einem kleinen Messer so heftig an ihr Champagnerglas, als wollte sie ein Ei köpfen. Das Glas zerbrach klirrend.
    »Vor deinem Temperament kapituliert einfach jeder«, scherzte Jeremy, während ein Kellner herbeieilte, um die Scherben zu entfernen. Ein zweiter saugte mit einem Tischstaubsauger die feinen Splitter auf, und ein dritter brachte ein neues Glas. Als sich die allgemeine Heiterkeit über das Missgeschick gelegt hatte, begann die alte Dame mit ihrer Ansprache:
    »Ihr Lieben, wie sehr freue ich mich, euch alle heute hier zu sehen!« Phyllis machte eine Pause und fasste sich hinter das linke Ohr, um ihr Hörgerät feinzutunen. Es gab eine unangenehme Rückkopplung, dann ließ sie ihren Blick schweifen und lächelte den Gästen zu. »Aus eigener leidvoller Erfahrung«, fuhr sie fort, »weiß ich, wie langweilig Tischreden sind. Andererseits möchte ich jeden von euch kurz vorstellen. Ein paar von euch werden sich kennen, aber« – sie lächelte ihrem Mann, James und der Frau neben ihm zu – »es gibt auch neue Gesichter, worüber ich mich besonders freue. Wir werden noch reichlich Gelegenheit haben, uns näher miteinander bekannt zu machen, aber fürs erste Kennenlernen habe ich mir ein kleines Spiel ausgedacht.« Phyllis nickte einem Asiaten zu, der in seinem weißen
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