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Nuke City

Nuke City

Titel: Nuke City
Autoren: Tom Dowd
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gerungen hatte, wo sie ihn am liebsten übernachten lassen wollte. Er hatte das Problem gelöst, indem er ihr gesagt hatte, er habe früh am nächsten Morgen eine Besprechung und müsse dafür noch einiges vorbereiten. Außerdem hatte er sie fragen wollen, ob sie mehr Geld brauchte, da ihm die Vorstellung verhaßt war, daß sie bei Fuchi Amerika an irgendeinem Schreibtisch hockte. Doch sie hatte keine finanziellen Probleme erwähnt, also widerstand er dem Drang, ihr ein diesbezügliches Angebot zu machen. Dafür blieb später noch genug Zeit.
    Kyle kannte Chicago recht gut, überließ das Fahren aber dennoch dem Autopiloten in dem Ford Americar, den man ihm zur Verfügung gestellt hatte. Der Wagen fuhr ihn durch die Nacht, von der Irving Park Road auf der Northside nach Süden und ein kurzes Stück über den Lake Shore Drive, vorbei an den protzigen Eigenheimen am See, die kaum die Verwahrlosung des sich im Westen erstreckenden Sprawl verbergen konnten. Es herrschte nur leichter Verkehr, und abgesehen vom Überflug eines Polizeihubschraubers mit aufgeblendeten Scheinwerfern, die das Logo von Eagle Security am Rumpf beleuchteten, verlief die Fahrt ereignislos.
    An der North Avenue änderte sich das Aussehen der Gegend, da sich der Drive hier am östlichen Rand der Gegend vorbeiwand, die mittlerweile unter dem Namen Noose bekannt war. Nach dem Einsturz des IBM-Gebäudes von 2039 war das Gebiet ein Opfer der Verlagerung von Chicagos ökonomischem Zentrum nach Süden geworden, ein Mekka für die Kriminellen der Stadt im besonderen und die Unterschicht im allgemeinen. Kyle wandte sich ab, um die leicht gekräuselte Oberfläche des Michigansees zu betrachten, und sah erst wieder nach Westen, als der Drive den Chicago River überquerte.
    Dort, im jetzt schwarzen und toten ehemaligen Zentrum der Stadt, konnte er mühsam den Bezirk Shattergraves inmitten der Trümmer Hunderter von Gebäuden ausmachen, die zerstört oder ausgebrannt waren, als Terroristen im Anschluß an die anti-metamenschliche Nacht des Zorns das IBM-Gebäude zum Einsturz gebracht hatten. Die Shattergraves wurden ebenso wie die Noose nicht verwaltet und dem Verfall überlassen. Nur wenige lebten dort, da es nicht viele ertragen konnten, von Tausenden Geistern und verlorenen Seelen, die jene verwüsteten und gottverlassenen Straßen heimsuchten, umgeben zu sein und dabei nicht verrückt zu werden. Dennoch waren in dem Gebiet am Fluß kleine Feuer und andere Lichter zu sehen. Trotz der Schrecklichkeit dieses Ortes gab es offenbar einige, die ihn als ihr Zuhause betrachteten.
    Die Noose zog sich an den Shattergraves vorbei, doch jetzt wurde der Horizont von den neuen Konzernwolkenkratzern des verpflanzten Innenstadtgebiets beherrscht. Der Wagen fuhr weiter bis zum Ende des Drives an der 67. Straße und dann weiter über die Stony Island Avenue zur 103. Dort bog er rechts ab und näherte sich dem Nordrand des Konzernzentrums.
    Das schlanke Konzernfahrzeug, in dem er saß, fuhr ungehindert in das von Chrom, Stahl und Glas beherrschte Areal. Hier und da sah Kyle, wie ein Fahrzeug von Eagle Security angehalten und kontrolliert wurde, aber keiner war so dumm, einen Wagen mit den Kennzeichen seines Fords anzuhalten. Truman Technologies war der Konzern in Chicago, und sogar die Polizei war klug genug, ihm keine Steine in den Weg zu legen. Truman Technologies war vielleicht der größte rein nationale Konzern in den Vereinigten Kanadischen und Amerikanischen Staaten und beherrschte ganze Segmente der Mega-Nuyen-Unterhaltungsindustrie. Er produzierte, vermarktete, vertrieb und verkaufte die Technologie für die SimSinn-Chips, die schon vor Jahrzehnten die CD-Video-Technik verdrängt hatte. In Chicago gab es kaum jemanden, der mächtiger als Daniel Truman und sein Konzern war.
    Kyles Suite im zweiundneunzigsten Stock des Marriott lag so hoch, daß er den Campus der Universität von Chicago sehen konnte, der ungefähr dort begann, wo der Lake Shore Drive endete. Außerdem sah er die in Nebel gehüllten Lichter der Elemental Hall, dem von Konzernen finanzierten metaphysischen Forschungszentrum einen halben Kilometer vom Universitätsgelände entfernt. Kyle war zwar von einem früheren Klassenkameraden an der Columbia-Universität eingeladen worden, das Forschungszentrum jederzeit zu besuchen, aber er wußte nicht, ob er das Angebot annehmen sollte. Die Vorstellung, die Elemental Hall zu besuchen, war mehr als reizvoll, und er würde gewiß von einem Rundgang durch die
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