Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nuke City

Nuke City

Titel: Nuke City
Autoren: Tom Dowd
Vom Netzwerk:
Kenntnis nahmen, scheuten zuerst vor der endgültigen Wahrheit zurück. Konnten die Großen Geister so grausam gewesen sein, einen Jungen mit Macht zwischen ihnen ausgesetzt und ihm die Gaben des Tanzens und Singens versagt zu haben?
    Sie konnten und hatten wahrscheinlich auch. Der Junge war von den Kräften der Erwachten Magie durchdrungen, doch wo die schamanische Magie seines Volkes auf Inspiration und Spontaneität beruhte, setzte er Logik, Vernunft und Überlegung ein. Kyle Teller war, zur endgültigen Demütigung seines Vaters, ein Magier.
     
    Die Kräfte gerieten in Bewegung, das Gleichgewicht veränderte sich, und er spürte, wie sich das Gewitter in ihr verzog.
     
    »Das ist schon eine ziemliche Ironie, findest du nicht?« sagte sie mit ruhigerer Stimme als erwartet, während sie die letzten Brotkrümel vom Tisch und in die langen, ausgestreckten Finger ihrer anderen Hand wischte. »Jahrelang haben wir dich wegen deiner Arbeit kaum gesehen.«
    Das grelle Licht in der Küche machte sie blaß und ließ ihre Haare fast schwarz erscheinen. Er wußte, daß sie die Beleuchtung in diesem Raum haßte, es aber zu teuer war, etwas daran zu ändern.
    »Und jetzt seht ihr mich nur, wenn ich geschäftlich in der Stadt zu tun habe«, setzte er ihren Gedankengang fort.
    Sie nickte, jetzt eifrig damit beschäftigt, die Sitzfalten in ihrem modischen Geschäftsanzug zu glätten. Der Stoff fügte sich und nahm bei ihrer Berührung wieder seine ursprüngliche, unzerknitterte Form an. Kyle war es nicht gewohnt, Beth in der Montur der Konzernwelt zu sehen. Sie paßte nicht zu ihr - war zu restriktiv. Beth war Künstlerin, eine Tänzerin und nicht die Sekretärin, die zu sein sie jetzt vorgab.
    Sie redete, hatte sich aber bereits einer anderen Beschäftigung zugewandt. Schließlich mußte Geschirr gespült werden. »Manchmal glaube ich, daß wir dich jetzt öfter sehen.«
    »Du weißt, daß das nicht stimmt.«
    Sie bückte sich behutsam, um den Geschirrspüler zu schließen. »Vielleicht nicht. Aber es kommt mir so vor.«
    Irgend etwas belastete sie. Er entnahm es dem Timbre ihrer Stimme, der Art, wie sie seinem Blick auswich, der Aufmerksamkeit, die sie den Aufräumarbeiten nach dem Essen widmete. Und was es auch war, es hatte mit ihr zu tun und nicht mit ihm, sonst hätte sie mittlerweile längst etwas gesagt. Kyle ließ die Ereignisse der letzten Stunden noch einmal vor seinem geistigen Auge Revue passieren: seine Ankunft, seine Überraschung, Beth in einem Geschäftsanzug zu sehen, die Geschenke für Natalie, die Einzelheiten hinsichtlich Beth' neuen Jobs, das Spielen mit Natalie und die Gespräche mit beiden, das Essen, dann, nach dem Essen...
    »Ich habe eine Flasche mit der Medizin deiner Schwester im Bad gesehen«, sagte Kyle. Beth versteifte sich, aber irgend etwas ließ ihn fortfahren. »Wie kommt sie zurecht?«
    Beth drehte sich zögernd zu ihm um. Sie fuhr ihn nicht an, und ihre Augen verrieten nur eine Spur des Zorns, den Kyle, wie er wußte, provoziert hatte. »Alles in allem kommt Ellen wahrscheinlich besser zurecht, als mir dies an ihrer Stelle gelingen würde.«
    Er versuchte sich zur Geduld zu zwingen. Da war noch mehr. Er glaubte zu wissen, was es war, aber er würde es sich von ihr erzählen lassen, sie zur Abwechslung ihre eigenen Worte finden lassen.
    Sie verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Anrichte. »Aber ich mache mir tatsächlich Sorgen. Sie...«
    »Es sieht so aus, als hätten sie die Dosierung erhöht.«
    Beth nickte. »Aber ich glaube nicht, daß sie die Medizin nimmt.«
    »Sie hat die Flasche hiergelassen.«
    »Genau. Und ich glaube, sie trifft sich mit einigen Leuten aus ihrer Gruppe. Sie sagt, sie braucht jemanden, mit dem sie reden kann.«
    Das überraschte Kyle nicht. »Die Konditionierung, der man sie unterzogen hat, läßt sich nicht so leicht auslöschen. Die Medizin hätte sie größtenteils aufheben müssen, aber wenn sie sie nicht mehr nimmt...«
    »Ich begreife nicht, warum sie nicht mit mir reden will«, sagte Beth, wobei ihr Zorn Kummer wich. »Ich habe ihr gesagt, daß sie jederzeit vorbeikommen oder anrufen kann. Aber statt dessen schleicht sie sich davon ...«
     
    Kyle trat einen Schritt näher und legte ihr sanft die Hand auf die Schulter. Beth sah nicht auf. »Sie geht zu ihnen, weil sie glaubt, daß es sonst niemanden gibt, der sie versteht. Du hast den Bericht gelesen, den ich dir geschickt habe. Das ist genau die Art von Abhängigkeit, die die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher