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Nova

Nova

Titel: Nova
Autoren: Wolfram Kober
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eure auch. Woher sollten wir etwas von menschlicher Moral und Ethik wissen? Wir mußten sie ergründen.«
»Ihr hättet mit uns sprechen können«, erwiderte Velasco.
»Das vernunftbegabte Geschöpf zeigt sich durch Taten, niemals allein durch Worte. Das Wort ist eine gefährliche Waffe. Es vermag Liebe zu schaffen und sie wieder zu zerstören. Es vermag zu töten und zu erniedrigen. Das Wort kann ehrlich sein und geheuchelt. Ohne die Tat aber ist es nicht zu durchschauen, mag es auch noch so logisch und gut klingen.«
Velasco wußte dem nichts zu entgegnen. Trotz seiner Angriffe hatte er Oncros Argumentation noch nicht einmal angekratzt. Was aber hatte die Fremden nun veranlaßt, Narik und Asher abzulehnen und ihn auszuwählen?
»Die Antwort liegt in deinem Wesen. Du bist voller Anteilnahme und voller Widersprüche. Ununterbrochen liegst du im Streit mit dir selbst, suchst zu ergründen und die Wahrheit zu finden. Der Mensch Narik ist Logiker. Er analysiert die Ereignisse nach sachlichen Überlegungen und bemüht sich, Tatsachen als unvermeidlich hinzunehmen. Ihm fehlt die Menge an Emotionen, die du besitzt, um dich auch gegen das scheinbar Unvermeidliche aufzulehnen.
Der Mensch Kyodo hingegen verliert sehr rasch die Herrschaft über das Denken. Er neigt zum Verabsolutieren. Wir haben euch alle vier der Hypnosuggestion ausgesetzt. Sie hatte eine ansteigende Frequenz. Bei Kyodo schlug sie zuerst die natürlichen Hemmbarrieren nieder. Erinnerst du dich an die Tiere? Auch dort griff er als erster zur Waffe.
Und Asher? Ihre dominierenden Parameter sind Güte und Zurückhaltung. Oftmals auch Angst. Du allein bist so, wie es unseren Vorstellungen entspricht.«
Das Lied sachlichen Lobes schmeichelte Velasco ungemein, gleichzeitig kränkte es ihn, daß sie seine Gefährten aburteilten. Ungerecht, wie es ihm schien, ohne daß er die Attribute, mit denen Oncro Narik, Kyodo und Asher versehen hatte, verneinte.
»Ihr mögt große Vollkommenheit errungen haben«, erwiderte er. »Der Mensch aber erreicht Vollkommenheit erst in der Gemeinschaft. Nur dadurch, daß sich unsere Eigenschaften ergänzen, konnten wir die Expedition bewältigen – und die von euch provozierten Probleme. Nariks Logik erkannte euch als erster. Ashers Fürsorge half uns, geistiges Gleichgewicht zu wahren. Kyodos Kraft und Unbändigkeit stützten uns. Ich bin durch nichts besser, die anderen durch nichts schlechter.«
»Trotzdem, Velasco, haben wir dich gewählt. Wir nahmen unsere Vorstellungen als Maßstab – nicht eure. Und wir haben euch nicht gezwungen, zu uns zu kommen, ja, nicht einmal den Weg geöffnet – das tatet ihr freiwillig. Euer Wille war es, der den Kontakt schuf. Auf unserer Seite bestand lediglich der Wunsch, und wir machten euch darauf aufmerksam.« Velasco verstand ihn nicht. Bestand ihr Anteil am Zustandekommen des Kontaktes zweier verschiedener Zivilisationen vornehmlich aus Inaktivitäten, obwohl sie den Wunsch nach eben diesem Kontakt hegten? Was wäre leichter gewesen für sie, als die Dimensionen zu öffnen?
Er brachte sein Befremden zum Ausdruck.
»Es gibt eine Etappe unserer Entwicklung, die zu zeigen wir nicht imstande waren. Unsere Wissenschaft hat Rätsel der Natur gelöst, deren Existenz eure Vorstellungskraft übersteigt. Wir haben uns von den Problemen der materiellen Produktion gelöst. Wir stellten die Flüge in den Kosmos ein und widmeten uns nur noch uns selbst. Alles, was wir wollten, haben wir erreicht. Heute sind wir in der Lage, daß ein jeder sich ohne Mühe verschaffen kann, was er braucht. Häuser, Gefährten, Liebe, Nahrung und Vergnügen. Wir benötigen nur noch die Kraft des Geistes. Wir besitzen keine Städte mehr. Unsere Sphäroiden sind uns Haus und Bewegungsmittel zugleich. Sie speisen und geben uns Macht über alles. Ich allein gebiete über mehr Macht als deine gesamte Zivilisation.
Kannst du verstehen, daß trotz dieser Allmacht die Dialektik des Lebens wirkt? Sie gebiert Positives im Gleichklang mit dem Negativen. Was heute richtig erscheint, wird morgen zum Widerspruch. Keine Grenze ist ewig, galt sie anfangs auch als unüberwindlich. Eines Tages beginnt sie zu bröckeln und zerbricht. Unsere Vollkommenheit erschien uns einst als unübertrefflich. Selbstzufrieden badeten wir in ihr, wiederholten uns ununterbrochen ihre Vorzüge und vergaßen, auf die entstehenden Widersprüche zu achten.
Doch die Entwicklung ist keine Kugel, die auf glatter Bahn dahinrollt in die gewünschte Richtung. Sie versucht
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