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Nova

Nova

Titel: Nova
Autoren: Wolfram Kober
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zustand – und schon gar nicht einer Zivilisation, die die Menschen nicht kannte.
    Daß sie aber auch Asher ablehnten, forderte seinen Widerspruch heraus. Er sah sich in einen Zustand versetzt, in dem er sich von Kyodo nicht allzusehr unterschied. In seiner Brust wogte Zorn, und er wünschte nichts sehnlicher, als den Fremden seine Meinung ins Gesicht zu schleudern.
»Jetzt fahre ich«, sagte er.
9
    »Sei uns willkommen, Velasco«, hörte er die Stimme in sich, von der auch Narik und Asher berichtet hatten. Unwillkürlich klammerten seine Hände sich fester um die Waffe.
    Er sah niemand. Nur die unendliche Weite bewachsener Hügel, deren sanfte Farben seine aufgestaute Aggressivität nicht milderten.
»Du brauchst die Waffe nicht. In dieser Welt gibt es keinen Tod«, sagte die Stimme.
    Seine Vorsätze schwanden, jedes böse Wort verwandelte sich in hilflose Leere. Ihn überkam Unsicherheit.
»Wo seid ihr?«
Da sah er sie: Sieben, acht Kugeln, etwa einen Meter über dem Boden schwebend. In durchsichtigen Blasen hingen zarte, zerbrechliche Wesen. Sie waren nackt. Gelbliche Blässe kontrastierte mit roten, runden Augen, die wie aufgeblasene Bälle aus den haarlosen Gesichtern hervorstachen und hypnotische Häßlichkeit ausstrahlten.
Die Augen berührten ihn, wühlten sein Empfinden in einem Orkan der Abwehr auf, stießen ihn ab.
Bis zu diesem Augenblick hatte er geglaubt, daß sie menschenähnlich sein mußten, weil die Visionen auf der Lichtung ihm Menschen gezeigt hatten. Was er nun erblickte, erregte Abscheu.
    »Es tut uns leid, daß wir dein ästhetisches Empfinden verletzen. Wenn du möchtest, ändern wir unser Aussehen«, sagte die sanfte Stimme.
Velasco schrak aus seiner törichten Verwirrung. Scham ließ ihn zu sich zurückfinden.
    »Verzeiht mir. Ich war überrascht«, erwiderte er, froh, endlich Worte zu finden. »Mein Gefühl ist nicht mein Verstand. Nein, ich will euch so sehen, wie ihr seid.«
    »Es ist gut, wenn ihr in euch selbst den ewigen Kampf der Entwicklung tragt. Gleichklang bedeutet nicht immer Fortschritt.«
    Velasco war erstaunt. Die Furcht, er habe einen Fehler begangen, zerrann, obwohl ihm der Sinn ihrer Antwort nicht bewußt wurde.
    »Wir wissen, du hast viele Fragen. Du möchtest alles über uns wissen und Antworten auf die Geschehnisse in der anderen Dimension. Doch warte damit. Deine Fragen haben noch kein Ziel, weil du nichts über uns weißt. Wir möchten dir die Geschichte unserer Zivilisation zeigen. Dann wirst du mehr verstehen, und deine Fragen erhalten einen Sinn. Wenn du einverstanden bist, wirst du die Vergangenheit erleben.«
    Velasco fühlte sich überfahren. Sie nahmen der Gewalt, mit der er gekommen war, die Wucht, besänftigten ihn, vertagten seine Erwartungen auf einen Zeitpunkt, an dem er nicht mehr der gleiche sein würde wie jetzt. Ohne den Zorn, mit dem er sich in der anderen Dimension beladen hatte und der ihm hier durch die Finger rann, wollte er den Dialog nicht führen. Die moralische Überlegenheit, die ihn gestützt hatte, verkehrte sich allmählich in ihr Gegenteil.
    Keine Entschuldigung der Fremden, keine Erklärung, nichts von dem, was in seinen Gedanken brannte und einer Antwort harrte – statt dessen Vertröstung auf einen unbestimmten Zeitpunkt.
    Sie hatten die Fremden verstehen wollen. Dazu mußte er sie kennenlernen. Auch die Handlungen der Menschen waren letztlich Ergebnis ihrer Geschichte, das Adäquat ihres gesellschaftlichen Entwicklungsstandes, von dem aus sie urteilten und verurteilten.
    Zögernd bejahte er den Vorschlag. »Ich bitte euch nur – meine Gefährten sorgen sich um mich. Informiert sie über das, was hier geschieht.«
    »Beunruhige dich nicht, Velasco. Es wird keine Zeitdifferenz geben zwischen deinem Eintritt in unsere Welt und deiner Rückkehr. Alles, was du jetzt erlebst, existiert in der Zeit. Du wirst die Vision davon wahrnehmen, auch wenn du glaubst, es wäre Realität. Lerne uns kennen. Dann urteile.«
    Halt, wollte Velasco rufen, als die Kugeln verschwanden, aber die Erregung verschloß ihm den Mund. Geschichte als Vision, er konnte sich darunter nichts vorstellen, ahnte bereits, daß der Überraschungen kein Ende war.
    Er fühlte sich schwach werden, Schleier tanzten ihm vor den Augen – da stand er allein in einer endlosen Ebene… Nein, dort kam jemand auf ihn zu.
    Der Mann trug die Tunika, die Velasco schon kannte. Die Wesen auf der Lichtung waren damit bekleidet gewesen. Die Füße steckten in harten Sandalen, deren
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