Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nova

Nova

Titel: Nova
Autoren: Wolfram Kober
Vom Netzwerk:
etwas zu tun.
    Er hatte sich überwinden müssen – und die dumpfe Furcht vor den quengeligen Warum- und Wieso-Fragen Janas, wenn er zurückkehrte.
    Jetzt, aus dem Abstand des Fluges, erkannte er plötzlich, wie stark der Widerwille vor seiner Untätigkeit, seiner kampflosen Kapitulation gewesen war. Schleichendes Unwohlsein, nicht nur gegenüber Jana, weil jeder Handgriff befehlsgemäß durch gut funktionierende Technik ersetzt werden konnte. Rasch, bequem.
    Ja, auch der Kontakt zu seiner Frau hatte im Lauf der Zeit einen automatisierten Charakter angenommen. Die Psychotronik enthob ihn der Notwendigkeit, eigene Energie einzusetzen und sie zu umwerben, ihren weiblichen Widerstand herauszufordern, sie zu reizen, ihre gespielte Abwehr zu überwinden. Beischlaf, programmiert in der Psytro, sanftes Dahingleiten auf unnatürlichen, wenn auch angenehmen Wolken, bis zum Orgasmus.
    Langsam oder rasch, je nachdem, wie beide es wollten. Es ließ sich programmieren. Geblieben war das animalische Reagieren auf eine biologische Einrichtung, die die Natur ihm geschenkt hatte. Einmal in der Woche mit abtötender Selbstverständlichkeit. Kurz, versachlicht, ohne die alles hinwegfegende Leidenschaft der ersten Jahre – oder waren es nur Monate gewesen? Selbst der Tag wurde bestimmt. Die Psytro wählte ihn nach dem Lottoprinzip aus.
    Überall, wohin er sah, war er hineingeraten in abstoßende Gleichförmigkeit.
Manchmal hatte er versucht aufzubegehren, wenigstens innerlich, heimlich und weit entfernt von der Kraft, sich zu lösen. Geblieben war selbstgefällige Resignation – und weiterleben. Und hier plötzlich, über der tropischen Selvas, eine knappe Flugstunde entfernt, sah er mit überraschender Deutlichkeit die eigene erbärmliche Schwäche vor sich ausgebreitet wie auf einem gedeckten Tisch.
Das, was er schon lange geahnt, sich aber nicht hatte eingestehen wollen. Eigentlich hatte er gar nicht mehr gelebt. Er war zu einem Automatenwesen degeneriert, war nur noch Sklave. Seine Maschinen dachten für ihn, gaben Ratschläge, kleideten, speisten ihn, nahmen ihm jeden Handgriff ab.
    Und in dem Maße, wie er sich selbst zu bemitleiden begann, wuchsen in ihm Haß und Zorn gegen die Technik auf.
Nicht nur ihm erging es so, er kannte viele, die gleich ihm verkrüppelt wurden.
Vielleicht, wäre er in diesem Moment zu Hause gewesen, er hätte versucht, mit dem Fuß nach der beweglichen Myonik zu treten, sie zu beschädigen, zu vernichten. Hämisch lachend sah er vor sich das Bild eines sinnlos tobenden Menschen.
Der Sicherheitsleitbalken erlosch.
Es entging ihm, so hatte er sich in seinen Haß hineingesteigert.
    Auch die sensobiotronischen Warnungen der Nano-Einheit nahm er nur verschwommen wahr. Er faßte sie als Störungen auf, wollte sie nicht akzeptieren. Seine aufgeschäumten Gefühle ließen ihn die Gefahr nicht erkennen.
Erst als mit einem häßlichen Ratschen das Kabinendach weggesprengt wurde, schrak er auf.
    Fauchend klatschte ihm heiße, feuchte Luft ins Gesicht, nahm ihm den Atem. Zu Tode erschrocken wollte er in die Manu-Korrektur greifen, aber die sich plötzlich aufblähende Schutzblase hinderte ihn daran.
    Mit einem Ruck wurde er aus dem Gleiter geschleudert. Bizell begriff nichts.
    War war geschehen? Weshalb hatte ihn die Automatik ausgespien?
Sich überschlagend, trudelte er dem Dschungel entgegen. Nach Sekunden, die ihm wie Ewigkeiten vorkamen, spürte er die Aktivität des Mikrogravitators, der den unkontrollierten Fall stabilisierte.
Mit Entsetzen sah er den sich rasch entfernenden Gleiter, der zu einem winzigen Punkt am Himmel wurde; offensichtlich hatte sich das Fahrzeug in eine steil in die Höhe zeigende Bahn manövriert.
    Die Explosion konnte er nicht mehr wahrnehmen, die Entfernung war zu groß geworden.
Zu diesem Zeitpunkt befand er sich bereits in Höhe der größten Baumriesen. Der Gravitator lenkte ihn durch eine Lücke in der Vegetation, setzte ihn wohlbehalten ab.
    Die Schutzblase fiel in sich zusammen.
Aufatmend gab er dem Zittern in den Knien nach und ließ sich auf den modrigen Boden fallen, der unerträglich warme Feuchtigkeit ausschwitzte. Sie klebte an ihm wie Sirup. Nach wenigen Minuten war seine Kleidung klitschig. Das Diffusionsgewebe hielt den Anforderungen nicht stand. Ihn ekelte vor dem salzigen Schweiß seiner Haut, diesem Geschmack, wenn er mit der Zunge über die Oberlippe fuhr.
    Als die stärksten Wellen des Schrecks verebbten, versuchte er sich zu konzentrieren.
Was war geschehen? Der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher